Phytos für Magen und Darm |
Kümmel regt die Tätigkeit der Verdauungsdrüsen und den Appetit an, wirkt karminativ und krampflösend. / © Getty Images/Michal Ulicny
Die Wirksamkeit der Vielstoffgemische aus Pflanzen ist allerdings unterschiedlich gut belegt. Während einige Anwendungen, etwa von Ingwer gegen Kinetosen, durch wissenschaftliche Studien untermauert sind, basieren andere Phytopharmaka hauptsächlich darauf, dass sie schon seit Jahrzehnten in der Indikation in Europa angewendet wurden. Für viele Heilpflanzen liegt eine HMPC-Monographie vor, die bei der Einordnung hilft. Das HMPC (Committee on Herbal Medicinal Products) sammelt seit 2004 Daten zu pflanzlichen Arzneimitteln und bewertet deren Sicherheit und Wirksamkeit.
Bei der Anwendung werden zwei Kategorien unterschieden: Traditionelle pflanzliche Arzneimittel beruhen auf langjähriger traditioneller Anwendung (»traditional use«) und müssen keine klinischen Studien durchlaufen, solange der traditionelle Gebrauch nachgewiesen ist. Die Wirksamkeit dieser Mittel ist plausibel und als Nachweis für die Sicherheit gilt, dass sie seit mindestens 30 Jahren (davon mindestens 15 Jahre innerhalb der EU) sicher angewendet werden.
Bei Phytopharmaka mit gut etablierter medizinischer Verwendung (»well-established use«, WEU) sind hingegen Wirksamkeit und Sicherheit durch wissenschaftliche Studien belegt. Ingwerwurzelstock hat den Status »well-established use« für die Vorbeugung von Übelkeit und Erbrechen bei Reisekrankheit erhalten, da klinische Studien seine Wirksamkeit bestätigt haben. Andere pflanzliche Präparate, wie etwa Bitterstoffdrogen gegen Appetitlosigkeit, haben oft nur eine lange Anwendungstradition ohne umfassende klinische Evidenz. Für verschiedene Störungen im Magen-Darm-Trakt gibt es bewährte Phytopharmaka aus beiden Kategorien.
Das Reizdarmsyndrom (RDS) ist eine funktionelle Darmerkrankung, die durch chronische oder wiederkehrende Beschwerden wie Bauchschmerzen und Blähungen gekennzeichnet ist. Die Symptome treten in Verbindung mit Veränderungen im Stuhlgang auf und beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen. Die verschiedenen Subtypen unterscheiden sich in der Stuhlgangkonsistenz. Eine Diagnose wird gestellt, wenn die Symptome länger als drei Monate bestehen, eine signifikante Belastung darstellen und andere mögliche Ursachen ausgeschlossen werden können.
Das Öl der Pfefferminze (Mentha piperita) ist seit Jahrhunderten ein bewährtes Heilmittel gegen Magen-Darm-Beschwerden und zählt heute zu den am besten erforschten Phytopharmaka bei funktionellen Verdauungsstörungen. Der Hauptwirkstoff Menthol hat krampflösende und schmerzlindernde Eigenschaften. Er blockiert Calciumkanäle und reduziert so Muskelkrämpfe im Magen-Darm-Trakt. Weiterhin wirkt Menthol lokalanästhetisch und kann dadurch Schmerzen im Verdauungstrakt lindern. Pfefferminzöl erhielt in der Update S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom aus 2021 mit einer 1A-Wirksamkeitsevidenz die stärkste Empfehlung und ist sogar international als effektives Spasmolytikum etabliert.
Eine Metaanalyse von neun randomisierten, kontrollierten Studien (RCTs) mit insgesamt 726 Patienten (darunter 50 Kinder) zeigt, dass Pfefferminzöl in magensaftresistenten Kapseln bei kurzfristiger Anwendung signifikante Effekte auf Bauchschmerzen und allgemeine Reizdarmsyndrom-Symptome hat. Für eine langfristige Anwendung fehlen noch Daten. Unerwünschte Nebenwirkungen wie Sodbrennen, meist bedingt durch falsche Anwendung, sind leicht und vorübergehend.
Um die Magenschleimhaut zu schonen und Nebenwirkungen wie Sodbrennen zu minimieren, ist das Öl oft in magensaftresistenten Kapseln verschlossen, sodass es erst im Darm freigesetzt wird. Auch bei funktioneller Dyspepsie hat sich Pfefferminzöl, besonders in Kombination mit Kümmelöl (wie in Carmenthin), als wirksam erwiesen.