Risiko für Mutter und Kind |
Während in Deutschland entsprechend der Mutterschaftsrichtlinien erst zwischen der 24. und 28. Schwanger-schaftswoche auf Gestationsdiabetes getestet wird, setzen sich international Forschende auf diesem Gebiet für ein frühes Screening ab der 15. Schwangerschaftswoche ein. Um spätere Komplikationen für Mutter und Kind zu vermeiden und rechtzeitig effektiv behandeln zu können, wird in einer dreiteiligen Serie von Studien im Fachjournal »The Lancet« aufgezeigt, wie wichtig das Screening im ersten Trimenon ist. Diese neuen Daten zeigen, dass die negativen Auswirkungen einem Gestationsdiabetes bereits in der frühen Schwangerschaft beginnen.
Die S3-Leitlinie »Gestationsdiabetes« wird zurzeit überarbeitet. Aktuell bleibt es demnach bei der Vorgabe eines Screenings zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche. Ein Testen in der Frühschwangerschaft wird von den gesetzlichen Krankenkassen bislang einzig dann übernommen, wenn bei vorangegangenen Schwangerschaften ein Gestationsdiabetes diagnostiziert wurde.
Es bleibt abzuwarten, ob die überarbeitete S3-Leitlinie sich für eine Diagnostik im ersten Trimenon aussprechen wird. Sollte dies geschehen, stellt sich die Frage, wie zeitnah sich eine solche Änderung in die Praxis umsetzen lässt, denn die entsprechende Diagnostik müsste zunächst geprüft und entsprechende Normwerte müssten festgelegt werden. Einen guten Anstoß, alte Verfahren zu überarbeiten und zu überdenken, haben die Forschenden der in »The Lancet« veröffentlichten Studien auf jeden Fall gegeben.
Bei einem Schwangerschaftsdiabetes zeigen Betroffene in den meisten Fällen keine Symptome. Liegen höhere Blutzuckerwerte vor, kann es zu Begleiterscheinungen kommen, die denen anderer Diabetesformen ähnlich sind, von vielen Erkrankten jedoch nicht von den typischen Merkmalen einer Schwangerschaft unterschieden werden können:
Durch erhöhte Blutzuckerwerte kann es bei der werdenden Mutter zu Milieuveränderungen im Urin und der Vagina kommen, als deren Folge Harnwegsinfekte und Scheideninfektionen vermehrt möglich sind. Zudem ist das Fehlgeburtsrisiko sowie die Wahrscheinlichkeit, an Bluthochdruck und einer Schwangerschaftsvergiftung (Präeklampsie) zu erkranken, erhöht. Aufgrund möglicher Komplikationen kommt es häufiger zu einer Kaiserschnittentbindung als bei gesunden Schwangeren.
Beim ungeborenen Kind reagiert der Körper auf eine dauerhafte Hyperglykämie mit einem Anstieg der Insulinproduktion in der Bauchspeicheldrüse. Da Insulin als Hormon nicht allein den Blutzucker senkt, sondern auch das Wachstum beeinflusst und Fetteinlagerungen verursacht, kann es zu einer Steigerung des Gewichtes und der Körpergröße des Kindes kommen. Die kindliche Entwicklung muss dementsprechend per Ultraschall engmaschig überwacht werden.
Als »Diabetes-Neuling« Insulin zu spritzen und den Stoffwechsel zu kontrollieren, ist eine Herausforderung. / © Getty Images/martin-dm
Liegt ein übermäßiges Wachstum vor, spricht man von LGA (Large for Gestational Age). Wird bei der Geburt ein Gewicht von über 4000 Gramm gemessen, redet man von einer Makrosomie. Als Folge von Größe und Gewicht des Kindes kann es bei der Mutter während der Geburt vermehrt zu Verletzungen am Beckenboden, zu übermäßigem Blutverlust oder einem Dammriss kommen.
Auch der seltene Notfall einer Schulterdystokie ist möglich. In dieser Notsituation passt die kindliche Schulter nicht durch den Geburtskanal und das Kind bleibt stecken. Hier muss von erfahrenen Geburtshelfern sofort gehandelt werden, um die Schulter wieder zu lösen.
Direkt nach der Geburt kann es für das Neugeborene Anpassungsschwierigkeiten geben. Zum einen bewirkt ein anhaltend zu hoher Blutzuckerspiegel der Mutter, eine erhöhte Insulinproduktion beim Fetus. Als Folge kommt das Kind mit einem zu hohen Insulinspiegel auf die Welt. Fallen nach der Geburt die gesteigerten Blutzuckerwerte der Mutter weg, kommt es zur neonatalen Hypoglykämie (Unterzuckerung).
Da die neurologische Entwicklung des Kindes von einem normalen Blutzuckerspiegel des Neugeborenen abhängt, muss während der Geburt der Blutzucker der Mutter im Blick behalten werden. Bei zu hohen Messungen wird mit Insulin therapiert. Nach der Geburt werden die Werte des Kindes auf einer neonatalen Station beobachtet und ein Unterzucker mithilfe von Glucosepräparaten ausgeglichen.
Zur Vorbeugung einer Hypoglykämie ist eine Frühfütterung des Neugeborenen durch Anlegen zum Stillen 30 Minuten nach der Geburt empfohlen. Für das Kind kann es durch einen Gestationsdiabetes der Mutter auch noch zu weiteren Folgen kommen: Dem Atemnotsyndrom aufgrund einer verzögerten Lungenfunktion, einer Hyperbilirubinämie (Gelbsucht), bedingt durch den belasteten Stoffwechsel des Neugeborenen, sowie Elektrolytstörungen.