So geht moderne Akne-Therapie |
Abhängig vom Schweregrad der Effloreszenzen kommen entweder topische oder systemische Retinoide, Azelainsäure oder Antibiotika zum Einsatz. Bei Mädchen und Frauen besteht zudem die Option, antiandrogene hormonelle Kontrazeptiva einzusetzen. Sind die Komedonen geschlossen und bei nur mildem Entzündungsgeschehen gelten topische Retinoide als Mittel der Wahl. Zu ihnen gehören Adapalen, Tretinoin oder das relativ neue Trifaroten. Letzteres ist unter allen topischen Vitamin-A-Säure-Präparaten am mildesten und wirkt zudem noch antientzündlich. Bei Schwangeren und Stillenden sowie bei Frauen, die eine Schwangerschaft planen, sind sie kontraindiziert. Bayerl: »Kommt es zu Beginn der Therapie zu starken Hautirritationen, kann das Applikationsintervall auf alle zwei Tage reduziert werden.« Ohnehin sollte die Zubereitung punktförmig und nicht in der Fläche aufgetragen werden. Dann könne man mit einer Verbesserung des Hautbildes nach vier bis acht Wochen rechnen. Bei entzündlicher Akne können laut europäischer Leitlinie außerdem Azelainsäure und Antibiotika in topischer Form eingesetzt werden, Letztere wegen der Gefahr von Resistenzen jedoch nicht als Monotherapie.
Bei mittelschwerer und schwerer Ausprägung sieht die Leitlinie die Kombination verschiedener topischer Therapeutika plus gegebenenfalls eine systemische Therapie vor. Als Antibiotika werden unter anderem Doxycyclin, Minocyclin oder Tetrazykline genannt, als systemisches Retinoid Isotretinoin. Orales Isotretinoin und Tetrazykline dürfen dabei außerdem nicht gleichzeitig eingenommen werden, da dann die Gefahr einer pathogenetisch nicht geklärten Schädelinnendruckerhöhung besteht.
»Sowohl die deutsche als auch die europäische Leitlinie sind deutlich überarbeitungsbedürftig. Vor allen Dingen bei Antibiotika sehen wir Dermatologen gute Einsparpotenziale, um der Resistenzentwicklung Einhalt zu gebieten. Antibiotika wirken zwar antientzündlich, aber in Monotherapie werden sie so gut wie gar nicht mehr eingesetzt und waren bereits in der alten Leitlinie verpönt. Gänzlich neu – weil eben damals noch nicht auf dem Markt – ist das Trifaroten, das am mildesten wirkende Vitamin-A-Säure-Präparat und auch noch antientzündlich«, so die Expertin.
Das Vitamin-A-Derivat Isotretinoin ist derzeit das potenteste Akne-Therapeutikum. Der Wirkstoff sollte möglichst frühzeitig bei Akneformen zum Einsatz kommen, die eine starke Entzündungs- und Vernarbungstendenz zeigen. Die damit erzielbare langanhaltende Remission ist mit keiner anderen Akne-Therapie zu erreichen. »Mit Isotretinoin lässt sich vor allem die erhöhte Differenzierungsrate der Zellen effektiv einstellen, indem der entsprechende Rezeptor gehemmt wird. Das macht die Substanz und auch die topischen Retinoide so potent«, informiert Bayerl. Die Zurückhaltung bezüglich der oralen Einnahme hält die Hautärztin für nicht mehr angezeigt. »Ich rate relativ frühzeitig zur Isotretinoin-Einnahme – auch weil wir in den zurückliegenden Jahrzehnten gelernt haben, mit der Substanz umzugehen.«
Eine wichtige Erkenntnis der vergangenen Jahre ist das Runterfahren in der Dosierung. »Wir sind heute weg von den höheren Dosierungen. Eine Minidosis von 10 bis 20 Milligramm genügt, oft reicht es auch, nach einer Art Stoßtherapie nur alle zwei Tage 10 mg Isotretinoin über zwei bis drei Jahre zu nehmen. Für die positiven Effekte benötigen wir dadurch etwas mehr Zeit, die Nebenwirkungen sind dafür aber reduziert«, versucht Bayerl die Angst vor unerwünschten Begleiterscheinungen zu nehmen.
Die Weichgelatinekapseln sind ein- bis zweimal täglich mit fettreicher Nahrung einzunehmen. Das erhöht die Bioverfügbarkeit. Bei Jungen kommt Isotretinoin nicht vor 16 Jahren zum Einsatz, bei Mädchen ab 14 Jahren. Aufgrund der teratogenen Wirkung des Isotretinoins muss während und bis zu einem Monat nach Beendigung der Therapie eine zuverlässige zweifache Empfängnisverhütung erfolgen (orale Verhütung plus Barriere-Methode). Zudem sind im Vorfeld Depressionen und Angsterkrankungen auszuschließen, betonte Bayerl.
Für die Beratung von Belang: Die Fettwerte und Leberenzyme sind vor allem anfangs zu überprüfen, da Triglyceridämie, Hypercholesterolämie und eine Hepatitis mögliche Nebenwirkungen sein können. Auch Nachtblindheit gehört zum prinzipiell möglichen Nebenwirkungsspektrum. Deshalb ist das Führen eines Flugzeugs bei Dunkelheit in diesem Fall für Piloten nicht erlaubt. Isotretinoin trocknet überdies die Schleimhäute aus. Deshalb sind Empfehlungen zur Lippenpflege und zu Mitteln gegen trockene Augen essenziell. Von Kontaktlinsen ist abzuraten.
Eines so schlecht wie das andere: Sowohl Nahrungsmittel mit hoher glykämischer Last als auch solche mit viel Eiweiß verschlechtern das Hautbild. / Foto: Adobe Stock/Ljupco Smokovski
Schokolade und andere süße Seelentröster stehen schon lange in Verdacht, das Akne-Geschehen anfachen zu können. Immer mehr Studien bringen nun Beweise, dass es vor allem die Nahrungsmittel mit einem hohen glykämischen Index sowie insulinotrope Frischmilchprodukte – mit Ausnahme von Käse - sind, die Hormonumstellungen potenzieren und Talgdrüsen stimulieren. Auch eine an Omega-3-Fettsäuren arme Ernährung scheint bei Akne einen proentzündlichen Boden zu bereiten.
Der glykämische Index gibt an, wie stark und schnell der Blutzucker und in der Folge Insulin ansteigt. In der Kuhmilch sind es vor allem die Molkeproteine, die in den Betazellen der Bauchspeicheldrüse bereits nach 30 Minuten die Insulinsekretion anfachen. Eine Ernährung mit hoher glykämischer Last fördert also eine Hyperinsulinämie. Häufiger Milchkonsum oder Eiweiß-Drinks, die zum Muskelaufbau konsumiert werden, bewirken außerdem eine vermehrte hepatische Bildung des verwandten Hormons IGF-1, dem Insulin-Wachstumsfaktor. Beide, Insulin und IGF-1, sind potente Stimuli für das Akne-Geschehen.
Da Talgdrüsen und Keratinozyten – in der Pubertät von Androgenen ohnehin kräftig unter Beschuss – über Rezeptoren für Wachstumsfaktoren wie IGF-1 verfügen, werden Talproduktion und Zellproliferation hochgefahren. »Insulin ist das stärkste anabole Hormon. Da es auch auf die Fettzellen stark anabol wirkt, wird mehr Testosteron in die aktive Form freigesetzt. Deshalb werden Talgdrüsen, die Testosteron-empfindlich sind, vermehrt stimuliert«, erklärt Bayerl. Es resultiert eine Dauerstimulation durch die Wachstumssignale von IGF und Insulin. Auf der Haut zeigen sich die ungeliebten Effloreszenzen. »Bei Patienten, die sich im Übermaß mit eiweißreicher Kost, also sogenannter Sportler-Ernährung mit Eiweißzusatz, ernähren, lässt sich das Hautbild selbst mit Isotretinoin nicht bessern. Ohne eine Umstellung der Ernährung geht es nicht, optimal wären viel Gemüse, Salat und Fisch«, stellt Bayerl in Aussicht.