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Oft findet sich ein Weg

So kann der Kinderwunsch bei Epilepsie wahr werden

Sorge vor Anfällen, vor der Medikamenteneinnahme oder dem Stillen: Mit einer Epilepsie Mutter zu werden und zu sein bringt ein paar Besonderheiten mit sich. Anlässlich des Tages der Epilepsie möchte eine Ärztin Mut machen.
dpa
05.10.2022  11:00 Uhr

Als ihr früherer Neurologe sie auf mögliche Hürden bei einem Kinderwunsch ansprach, kam das für Jule Reuter (Name geändert) völlig unerwartet. »Ich war damals 20. Das Thema Nachwuchs war gedanklich noch in sehr weiter Ferne. Bis dahin war ich nicht auf die Idee gekommen, dass mir meine Epilepsie im Weg stehen könnte«, sagt die heute 38-Jährige aus der Nähe von Berlin.

Tatsächlich gilt die Erkrankung an sich nicht als das größte Problem. Vielmehr kann ein wichtiger Wirkstoff von Antiepileptika, der vielen Betroffenen Anfallsfreiheit ermöglicht, für ein Ungeborenes riskant sein. Weil aber natürlich auch die dramatischste Form von Anfällen mit Sturz und Bewusstlosigkeit bei Schwangeren vermieden werden soll, ist der Verzicht auf Medikamente auch keine Lösung.

Reuter zeigt sich heute froh über die frühe und sensible Vorwarnung ihres Arztes. Sie sei somit rechtzeitig darüber aufgeklärt worden, wie wichtig eine gut geplante und begleitete Schwangerschaft bei Frauen mit Epilepsie ist. Ohne Zeitdruck habe sie alternative Medikamente ausprobieren können.

Arznei-Checks vor der Schwangerschaft

Die Bedeutung von Arznei-Checks schon vor der Schwangerschaft betont auch ein Report der Krankenkasse Barmer aus dem Jahr 2021 – 60 Jahre nach dem Skandal um das Beruhigungsmittel Contergan, das bei Ungeborenen zum Teil schwerste Fehlbildungen hervorrief. In dem Bericht ging es allgemein um Medikamente, die in der Schwangerschaft schädliche Auswirkungen haben können. Demnach hatten Hunderte Versicherte mit Entbindung im Jahr 2018 im ersten Schwangerschaftsdrittel potenziell riskante Mittel verordnet bekommen. Die Kasse plädierte bei Frauen im gebärfähigen Alter für eine bessere Dokumentation dauerhaft eingenommener Medikamente.

Bisher sei es etwa für Gynäkologen schwer bis unmöglich, solche Arzneien rechtzeitig abzusetzen. Jule Reuter hatte seit dem Auftreten der Epilepsie in ihrer Jugend ein Mittel mit Valproinsäure, Valproat, eingenommen und daraufhin jahrelang keine Anfälle mehr. Bei diesem Wirkstoff ist jedoch bekannt, dass bei Einnahme in der Schwangerschaft ein hohes Risiko angeborener Missbildungen und schwerer Entwicklungsstörungen besteht, wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte schreibt.

Ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko besteht auch bei Wirkstoffkombinationen. Die Warnungen zu dem Wirkstoff wurden 2018 noch einmal verschärft, die Anwendung ist mit zahlreichen Einschränkungen verbunden. So ist etwa der Einsatz in der Schwangerschaft bei Epilepsie mittlerweile nur noch dann möglich, wenn keine andere geeignete Behandlung verfügbar ist. Mit verschiedenen Maßnahmen soll auch sichergestellt werden, dass Frauen die Risiken verstanden haben. So prangt auf der Packung des Präparats, das Reuter nimmt, heute ein rot umrandeter Warnhinweis – unter anderem mit dem Aufruf zur Verhütung.

Das Dilemma: Bei Valproat handele es sich um ein sehr wirksames Mittel, das lange alternativlos gewesen sei, sagt Bettina Schmitz, Chefärztin der Klinik für Neurologie am Vivantes Humboldt-Klinikum in Berlin. »Inzwischen gibt es einige weitere sichere Substanzen. Und das Risiko beim Valproat ist wie so oft auch dosisabhängig.« Schmitz leitet das deutsche Register für Schwangerschaften unter Antiepileptika. Dorthin melden Kliniken, Ambulanzen und Praxen freiwillig Angaben zu Schwangeren mit Epilepsie und deren Medikation. Fast 4300 Fälle aus Deutschland sind erfasst, europaweit mehr als 28.000. All das mit dem Ziel, Empfehlungen zu verbessern. Schmitz zufolge ist das bereits gelungen, die Fehlbildungsraten seien stark gesunken. »Bei Kindern von Frauen, die Valproat-Alternativen einnehmen, unterscheiden sich die Raten kaum mehr von denen gesunder Frauen«, sagt Schmitz.

Schwangerschaft trotz Valproat-Einnahme

Bei Jule Reuter, die von 2013 an bei Schmitz in Behandlung war, blieb die Suche nach einem wirksamen und verträglichen Alternativmedikament erfolglos. »Ich landete also doch wieder bei Valproat.« Als sie und ihr Mann sich dann für Kinder entschieden, fand sich in enger Absprache mit Ärzten aber trotz der Einnahme des Wirkstoffs ein Weg.

Es gibt in solchen Fällen viel zu beachten, und zwar schon vor der Schwangerschaft. Geraten wird dann zur Einnahme einer erhöhten Folsäure-Dosis. Diese Prophylaxe werde aber noch bei zu wenigen Frauen eingesetzt, stellte ein Team um die Medizinerin Birgitt Müffelmann in einer Auswertung im Fachblatt »Der Nervenarzt« fest. Bei Reuter wurde zudem die morgendliche und abendliche Valproat-Dosis verringert. »Es ging um die niedrigste mögliche Dosis, damit ich sicher vor Anfällen geschützt bin«, sagt die 38-Jährige.

Das habe genaues Austarieren erfordert. Ziel sei gewesen, dass der Wirkstoffgehalt im Blut immer unter einer bestimmten, noch als sicher geltenden Schwelle bleibt. Trotz aller Risiken seien ihr Ängste während der ersten Schwangerschaft fremd gewesen, sagt Reuter. »Ich war sehr unbeschwert und überzeugt, dass es schon gut gehen wird.« Reuter nahm zudem Frühdiagnostik-Untersuchungen wahr, damit mögliche körperliche Fehlbildungen des Kindes hätten erkannt werden können.

»Die Ärzte haben meinem Mann und mir von Beginn an gesagt, dass wir uns vorab überlegen müssen, wie wir mit der Nachricht einer Behinderung umgehen würden. Dadurch haben wir uns gut vorbereitet gefühlt.« Schwere Entscheidungen blieben dem Paar erspart, das mittlerweile zwei Kinder hat, vier und acht Jahre alt. Und kerngesund, wie die Mutter sagt.

Für die Berliner Neurologin Schmitz sind die Schwangerschaften Reuters keine Ausnahmen, der Großteil solcher Fälle verlaufe komplikationslos. Selbst kleinere Anfälle während der Schwangerschaft verliefen in der Regel folgenlos für das Kind, auch die Geburt sei in der Regel auf natürlichem Weg möglich.

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