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Der Status quo

Sterbehilfe in Deutschland

In Deutschland wird gerade oft über das Thema Sterbehilfe diskutiert, denn das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe für verfassungswidrig erklärt – rechtlich gibt es daher aktuell eine gewisse Grauzone. Wie geht es weiter?
Judith Schmitz
27.10.2023  09:00 Uhr

In Deutschland ist die Tötung auf Verlangen, also die aktive Sterbehilfe, nach wie vor verboten. Die aktuelle Diskussion um die Sterbehilfe beziehungsweise die rechtlichen Unklarheiten betreffen vor allem die Beihilfe zur Selbsttötung, also den assistierten Suizid. Im Dezember 2015 hatte der Deutsche Bundestag  die geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe gestellt – nachdem sie zuvor über 100 Jahre straffrei war – und einen entsprechenden Paragrafen (§ 217) im Strafgesetzbuch geschaffen. Die Formulierung »geschäftsmäßige Beihilfe« zielte darin auf Sterbehilfevereine oder auch Ärzte – sie würden bestraft werden, wenn sie die Beihilfe wiederholt anwenden. 

Das Bundesverfassungsgericht hatte nach einigen Verfassungsbeschwerden von Sterbehilfevereinen, Patienten und Ärzten im Februar 2020 dann jedoch geurteilt, dass dieses Verbot verfassungswidrig ist. Damit hat es die Beihilfe zur Selbsttötung in Deutschland wieder freigegeben: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasse ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen, so die Begründung des Gerichts.

Das Bundesverfassungsgericht  hat die Politik mit dem Urteil aber nicht explizit zu einer Neuregelung aufgefordert. Es schreibt: »Hieraus folgt nicht, dass es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen untersagt ist, die Suizidhilfe zu regulieren. Er muss dabei aber sicherstellen, dass dem Recht des Einzelnen, sein Leben selbstbestimmt zu beenden, hinreichend Raum zur Entfaltung und Umsetzung verbleibt.« Das Gericht machte auch klar, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben »in jeder Phase menschlicher Existenz« besteht. Alter und Krankheit sind also keine Ausschlusskriterien.

Der Bundestag hatte nach dem Urteil 2021 fraktionsübergreifend über mögliche gesetzliche Neuregelungen der Beihilfe zur Selbsttötung debattiert, aber schließlich im Juli 2023 zwei Gesetzentwürfe von fraktionsübergreifenden Gruppen abgelehnt. Der eine Vorschlag sollte es Ärzten ermöglichen, Medikamente zur Selbsttötung grundsätzlich unter bestimmten Voraussetzungen verschreiben zu dürfen. Der andere Vorschlag sah eine grundsätzliche Strafbarkeit vor, aber mit geregelten Ausnahmen. Eine solche Beihilfe sollte in beiden Entwürfen nur für Volljährige möglich sein.

Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) hatte bedauert, dass im Bundestag beide Entwürfe abgelehnt wurden. Die jetzige Situation hinterlasse eine »gewisse Rechtsunsicherheit«, es werde auf das ein oder andere Urteil der Gerichte ankommen. Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) sieht das etwas anders: Für Ärztinnen und Ärzte, die bei einem freiverantwortlichen Suizid eines ihrer Patienten assistieren, existiere schon jetzt in Deutschland ein klarer und eindeutiger rechtlicher Handlungsrahmen, heißt es in ihrer Pressemitteilung im Juli 2023. Für eine zusätzliche Regulierung der Suizidhilfe sieht die Gesellschaft keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf.

Assistiert ein Suizidhelfer bei einem Suizid, ohne dass die suizidwillige Person einsichts- und entscheidungsfähig ist und somit nicht freiverantwortlich handelt, liege tatbestandsmäßig ein Totschlag vor, heißt es weiter in der Pressemitteilung. Wie die Polizei auf Anfrage mitteilt, wird bei einem Suizid, also auch bei einem begleiteten Suizid, immer ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet.

Die Beihilfe zur Selbsttötung ist derzeit in Deutschland erlaubt, wenn der – je nach Lesart – Sterbewillige oder Suizidgefährdete die Entscheidung dazu freiverantwortlich trifft, wie die Palliativmedizinerin Professorin Dr. Claudia Bausewein vom LMU-Klinikum München gegenüber PTA-Forum bestätigt. »Der Knackpunkt dabei ist: Was ist freiverantwortlich?«, fragt der Suizidforscher Georg Fiedler aus Hamburg. Er verweist auf eine Kluft zwischen Medizinethikern und Juristen, die Handlungsweisen aus einer Theorie ableiten, und Praktikern wie Palliativmedizinern, Sterbebegleitern und Therapeuten auf der anderen Seite, die viele Personen begleiten, die den Tod erwägen. Das drückt sich auch in der Sprachweise aus: Von suizidwillig sprechen die Befürworter der Sterbebeihilfe, von suizidgefährdet ihre Kritiker. »Da das Bundesverfassungsgericht dem Suizid keine Grenzen setzt wie Alter oder Krankheit, ist es für unsere Gesellschaft geschweige denn die Gesetzgebung eine Herausforderung, hier eine Regelung zu finden, die Suizidassistenz als eine normale Form des Sterbens eingrenzt«, sagte Fiedler gegenüber PTA-Forum.

Die Initiatoren der zwei fraktionsübergreifenden Gesetzesentwürfe erwägen nun erneut Initiativen zur gesetzlichen Neuregelung der Beihilfe zur Selbsttötung, wie das »Deutsche Ärzteblatt« im September berichtete. Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, erklärte in einem Pressestatement zur Ablehnung der Gesetzentwürfe im Juli: »Es ist richtig, dass der Bundestag heute noch keine Entscheidung über ein Suizidhilfegesetz getroffen hat. Nun haben wir Zeit für die noch nicht ausreichend geführte gesamtgesellschaftliche Debatte. Und es gibt Zeit, bei diesem wichtigen Thema den ersten Schritt vor dem zweiten zu tun: Wir brauchen zunächst einmal ein umfassendes Gesetz zur Vorbeugung von Suiziden.« Dafür seien die Weichen gestellt: Der Bundestag hatte im Juli 2023 einen gemeinsamen Antrag beider Gruppen mit dem Titel »Suizidprävention stärken« angenommen.

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