Taktgeber für die innere Uhr |
Das Beleuchtungskonzept Human Centric Lighting folgt einem ähnlichen Prinzip wie die Lichttherapie. Auch hier wird die Erkenntnis genutzt, dass die Rezeptoren der Netzhaut zwar die spektrale Zusammensetzung des Lichts erfassen, aber nicht unterscheiden, ob es sich um natürliches Tageslicht oder Kunstlicht handelt. Im Gegensatz zur Lichttherapie wird Human Centric Lighting jedoch nicht punktuell, sondern den ganzen Tag und bei Bedarf über Nacht eingesetzt. Zum Beispiel in Büros und Produktionsstätten, Schulen, Krankenhäusern oder Seniorenwohnheimen.
Damit künstliche Beleuchtung biologisch wirksam wird, muss das künstliche Licht dem natürlichen Tageslicht möglichst genau nachempfunden werden. Das gilt für die spektrale Zusammensetzung ebenso wie für die Helligkeit. Das Licht des Himmels hat eine Lichtfarbe, die zwischen 6000 und 10000 Kelvin variiert. Damit die Rezeptoren in der Netzhaut das künstliche Licht überhaupt registrieren und über den Hypothalamus die gewünschten Reaktionen eingeleitet werden, muss die Lichtfarbe der Lampen oberhalb von 5300 Kelvin liegen.
Eine weitere wichtige Rolle spielt der Einfallswinkel des Lichts auf die Netzhaut. Damit das Licht die Photorezeptoren genau trifft, muss es wie das Tageslicht großflächig aus dem oberen Raum ins Auge fallen. Die Leuchten werden deshalb so platziert, dass sie die Decke und Wände flächig anstrahlen, die wiederum das Licht im richtigen Winkel reflektieren. Auf optimales Sehen in verschiedenen Arbeitsbereichen ist Human Centric Lighting nicht ausgerichtet. Es muss durch Lampen ergänzt werden, die Arbeitsflächen so ausleuchten, dass optimales Sehen möglich ist.
Wer nachts arbeiten muss, kann die Wachheit in der zweiten Nachthälfte mit kaltweißem Licht erhöhen. / Foto: Getty Images/Moyo Studio
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Human Centric Lighting ist der erwünschte Nutzen. Soll der Schlaf-wach-Rhythmus von Mitarbeitern stabilisiert, das Wohlbefinden erhöht und die Gesundheit gefördert werden, setzen Experten beim künstlichen Lichtangebot auf eine möglichst genaue Nachahmung der spektralen Zusammensetzung des Tageslichts. Mit einer kurzzeitigen Erhöhung von Beleuchtungsstärke und Lichtfarbe zur Mittagszeit oder am frühen Nachmittag kann eine gezielte Aktivierung erwirkt werden. Um die Belastung durch Nachtschichten geringer zu halten, empfehlen Experten, in der ersten Nachthälfte Lichtquellen zu verwenden, die einen geringen Effekt auf den circadianen Rhythmus haben. In der zweiten Nachthälfte kann eine kurzzeitige Beleuchtung mit kaltweißem Licht die Wachheit erhöhen. Im Idealfall können Arbeitnehmer durch das Lichtkonzept zu Hause sofort einschlafen und erst am Nachmittag wieder aufwachen.
Auch Senioren können von einem guten Beleuchtungskonzept profitieren. Denn mit zunehmendem Alter unterscheidet der Organismus immer weniger zwischen Tag und Nacht. Der Schlafrhythmus wird unregelmäßig, Schlafphasen am Tag häufiger, da das Schlafbedürfnis insgesamt gleich bleibt. Mit dem Setzen von Beleuchtungsimpulsen können der Schlaf-wach-Rhythmus stabilisiert und lange Wachphasen in der Nacht reduziert werden.