Unterschätzte Risiken von Geschlechtskrankheiten |
Sowohl Neisseria gonorrhoeae, Auslöser der Gonorrhoe (Tripper), als auch Chlamydia trachomatis befallen besonders häufig junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren - mit steigender Inzidenz. Auch Koinfektionen sind häufig. Chlamydien sind in den Industriestaaten sogar die häufigsten Erreger urogenitaler Infektionen – und trotzdem kaum bekannt. Die beiden gramnegativen Bakterien infizieren bevorzugt die Schleimhaut von Gebärmutterhals, Harnröhre und Rektum. Durch Schmierinfektion, zum Beispiel bei der Geburt, können sie auch die Bindehaut befallen und bis zur Erblindung führen. Oralverkehr kann ein Infektionsreservoir am Rachen schaffen, was mitunter bei resistenter Gonorrhoe zu Therapieproblemen führt. Darüber hinaus gibt es weitere Unterarten der Chlamydien, die in der Allgemeinbevölkerung jedoch nur selten auftreten.
Vaginaler Ausfluss oder Blutungen können bei Frauen auf Gonorrhoe oder Chlamydien hindeuten. / Foto: iStock/Gpoint Studio
Männer klagen in bis zu 60 Prozent der Fälle über akute Symptome wie Brennen beim Wasserlassen oder eitrigen Ausfluss. Ein sogenannter »Bonjour-Tropfen« am Morgen deutet auf Gonorrhoe hin. Bei Frauen verlaufen beide Infektionen hingegen oft stumm oder mit unspezifischen Beschwerden wie Ausfluss oder Blutungen. Unbehandelt steigen die Keime vom Urogenitaltrakt auf. Dann können sie akute und chronische Entzündungen beispielsweise der Prostata oder der weiblichen Geschlechtsorgane verursachen. Schlimmstenfalls droht Unfruchtbarkeit.
Früher genügte eine Dosis Penicillin, um die Gonorrhoe zu heilen. Heute wird die Infektion wegen zunehmender Resistenzen üblicherweise mit 1 bis 2 g Ceftriaxon i.v. oder i.m. als Einmalgabe plus 1,5 g Azithromycin als orale Einmaldosis behandelt (siehe auch Kasten). Bei Chlamydien ist außer bei Schwangeren Doxycyclin mit 2 × 100 mg für sieben Tage Mittel erster Wahl. Eine Partnertherapie ist bei beiden Erkrankungen unerlässlich.
Schon heute hat Neisseria gonorrhoeae Resistenzen gegen alle verwendeten Antibiotika entwickelt. Wie kann das sein? Das gramnegative Bakterium ist genetisch sehr wandelbar, die Oberflächenbeschaffenheit der äußeren Membran ist ausgesprochen variabel. Wissenschaftler sprechen von genomischer Plastizität: Der Erreger kann von Natur aus Gene aufnehmen und weitergeben. So passt er sich schnell an veränderte Umweltbedingungen an, auch an Antibiotika.
Bereits in den 1970er Jahren wurde eine Penicillin-Resistenz beschrieben. Aktuell sind weltweit schätzungsweise 50 bis 70 Prozent der Stämme resistent gegenüber Ciprofloxacin. Mit großer Sorge wird nun beobachtet, dass die Empfindlichkeit gegenüber Cephalosporinen wie auch Azithromycin immer weiter abnimmt. Dies führte weltweit zu einer Korrektur der Therapieleitlinie.
Gründe für die zunehmende Resistenzbildung sind etwa ein inadäquater, gar rezeptfreier Einsatz der Antibiotika, niedrig dosierte »Uroformen« wie bei Ciprofloxacin, aber auch die lange Entwicklungsdauer und Gültigkeit von Leitlinien und dadurch der langjährige Einsatz einzelner Substanzen sowie unzureichende Resistenzdaten tragen zum Problem bei. Ceftriaxon ist nahezu weltweit Mittel erster Wahl. Dennoch gibt es bereits Einzelfälle, in denen diese Therapie versagt. Trotz engmaschiger und kritischer Überwachung der Resistenzraten ist davon auszugehen, dass auch Cephalosporine in absehbarer Zeit nicht mehr ausreichend wirken werden.