Vom Arznei- zum Lebensmittel |
p-Synephrin ist in zahlreichen Arten und Hybriden der Gattung Citrus (Rutaceae) enthalten, unter anderem in Bitterorangen, Süßorangen und Mandarinen. / Foto: Adobe Stock/skarie
Fit und schlank wollen viele Menschen sein. Einige glauben, dieses Ziel mit Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) erreichen zu können. Was sie genau einnehmen, interessiert viele Konsumenten weniger als die Aussicht auf einen optimierten Körper. Dass dies nicht unproblematisch sein kann, zeigt das Beispiel Synephrin. Die Substanz ist zusammen mit Koffein in sogenannten Pre-Workout-Mitteln enthalten, die die Leistung im Training steigern sollen, sowie in Präparaten, die die Gewichtsabnahme fördern sollen. Wie Koffein ist das Protoalkaloid Synephrin natürlichen Ursprungs und findet sich in zahlreichen Zitrusfrüchten. Es existiert in drei verschiedenen isomeren Formen (ortho, meta und para). Die p-Form (p-Synephrin) kommt in der Natur vor, die anderen werden synthetisch hergestellt.
Die Substanz ähnelt strukturell Ephedrin und Adrenalin und stimuliert wie diese Adrenorezeptoren im menschlichen Körper. Als die Verwendung von Ephedrin in NEM in vielen Ländern verboten wurde, ersetzten es einige Hersteller durch Synephrin. Synephrin ist direkt enthalten oder in Form von Bitterorangenextrakt (Citrus aurantium. Vielen Produkten ist zusätzlich Koffein zugesetzt. Dieses stammt aus pflanzlichen Extrakten aus Guarana, Kaffee oder Grüntee. Hersteller werben dann unter Umständen mit Aussagen wie „rein pflanzliche Inhaltsstoffe“. Für das Apothekenteam ist bekannt, dass rein pflanzlich nicht gleichzusetzen ist mit „harmlos“. Und tatsächlich ist bei Synephrin allein und speziell in der Kombination mit Koffein das Sicherheitsprofil noch wenig erforscht.
Synephrin war im letzten Jahrhundert als Arzneimittel zur Behandlung von Hypotonie auf dem Markt. Wirksamkeitsnachweise mussten pharmazeutische Unternehmen damals nicht erbringen. Eine Nachzulassung scheiterte daran, dass keine ausreichenden klinischen Daten vorgelegt wurden. Heute ist Synephrin in Deutschland nicht mehr in Arzneimitteln enthalten. In den vorliegenden Studien finden sich nur geringe Nachweise für die proklamierte sympathomimetische Wirkung. In Kombinationspräparaten mit Koffein ist die Rolle von synergistischen Effekten unklar. Die Studien lassen keine Rückschlüsse auf die »richtige« Dosierung zu.
Synephrin findet sich heute auch in Schlankheitsmitteln. Die vorliegenden klinischen Ergebnisse unterstützen diese Anwendung jedoch nicht. Im Rahmen eines Review aus 2022 wurden 18 placebokontrollierte klinische Humanstudien untersucht. Die Wissenschaftler wollten unter anderem herausfinden, ob sich die Einnahme auf den Gewichtsverlust und die Körperzusammensetzung auswirkt. Mit dieser Fragestellung befassten sich drei Studien, die jeweils mehrere Wochen andauerten. In den Studien betrug die Tagesdosis von Synephrin 54 mg, 20 mg und 10 mg. Der Gewichtsverlust in der Synephrin-Gruppe war nach der Behandlung nicht signifikant. Die Einnahme hatte weder Einfluss auf die Körperzusammensetzung noch wirkte sie sich signifikant auf den Blutzuckerspiegel aus. Sowohl der systolische als auch der diastolische Blutdruck stiegen allerdings nach längerem Gebrauch signifikant an.