Warum Jugendliche inzwischen auf Kraftsport setzen |
Kraftsport zählt inzwischen zu den am häufigsten ausgeübten Sportaktivitäten bei 13- bis 17-Jährigen. / © Getty Images/Hirurg
Was früher Fußball- oder Tennisverein waren, ist bei Jugendlichen heute oft die Muckibude: Trainingsplatz und Treffpunkt zum Sehen und Gesehenwerden gleichermaßen. Anstelle von Sportstars sind dabei Influencer die Idole, denen nachgeeifert wird, wie der Sportsoziologe Thomas Alkemeyer sagt. »Influencer sind eine der großen Triebkräfte des Trends.« Hinzu komme, dass die Verbreitung von Bildern des eigenen Körpers durch die Selfie-Schwemme in sozialen Medien explodiert sei – und darauf wolle man möglichst gut aussehen. »Der Körper ist zum wichtigen Statussymbol, zur Visitenkarte geworden«, erklärt Alkemeyer. »Mit einem schlanken, durchtrainierten Körper zeige ich, dass ich Selbstdisziplin und mein Leben unter Kontrolle habe.«
Jugendliche hätten allgemein wenig Gestaltungsmacht und nähmen die aktuellen Zeiten als sehr unsicher wahr. »Kraftsport bietet ihnen die Chance, zumindest etwas selbst zu bestimmen, sich und anderen zu beweisen, dass man fähig ist, etwas zu gestalten.« Das könne selbstsicherer machen.
Gegen Kraftsport bei Heranwachsenden sei aus gesundheitlicher Sicht prinzipiell erst mal nichts einzuwenden, sagt Heinz Kleinöder von der Deutschen Sporthochschule Köln. »Mit viel Bewegung sollte man grundsätzlich so früh wie möglich anfangen.« Mit korrekt ausgeübtem Kraftsport werde man stabiler, die Knochendichte nehme zu und die Motorik verbessere sich, erklärt der Sportmediziner vom Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik.
Allerdings sei Kraftsport sehr stark Ich-bezogen und es gehe um das äußere Erscheinungsbild, gibt Thomas Alkemeyer von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg zu bedenken. Beim Mannschaftssport hingegen spielten auch andere Werte und Persönlichkeitsfacetten wie die Fähigkeit, Teammitglieder zu motivieren, eine große Rolle. Gemeinsam mit anderen ein gelungenes Zusammenspiel zu feiern, berühre auf ganz besondere Art und Weise.
»Zwar trifft man auch im Fitnessstudio auf Gleichgesinnte, aber es dürfte sicher nicht schaden, den Kraftsport mit einer Mannschaftssportart zu kombinieren«, so Alkemeyer. »Allzu stark um sich selbst beziehungsweise den eigenen Körper zu kreisen, kann Vereinsamungstendenzen verstärken.« Einsamkeit sei ohnehin schon eines der zentralen Probleme unserer gegenwärtigen Gesellschaft. »Und das betrifft zunehmend auch Jugendliche.«
Die Deutsche Sportjugend (dsj) im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) kam in der 2023 vorgestellten Datenerhebung »MOVE« zum Ergebnis, dass Kraftsport inzwischen zu den am häufigsten ausgeübten Sportaktivitäten bei 13- bis 17-Jährigen zählt. 43 Prozent der Jungen und 12 Prozent der Mädchen dieser Altersgruppe spielen demnach Fußball, 18 Prozent der Jungen und 23 Prozent der Mädchen schwimmen – und 29 Prozent der Jungen sowie 24 der Mädchen widmen sich in ihrer Freizeit Kraft- und Fitnesssport. Der Anteil an Sportvereinsmitgliedern bei Heranwachsenden ist den Daten zufolge in den letzten zehn Jahren deutlich gesunken.