Was bringt Melatonin bei Schlafstörungen? |
Eine gute Evidenz gibt es für Melatonin bei Kindern mit bestimmten Grunderkrankungen. Seit dem 15. Januar 2019 ist in Deutschland Slenyto zur Behandlung von Schlafstörungen bei Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) und dem Smith-Magenis-Syndrom für Kinder ab zwei Jahren und Jugendliche bis 18 Jahren verfügbar. Slenyto ist indiziert, wenn nicht-medikamentöse Maßnahmen den Schlaf nicht ausreichend verbessern. Das Arzneimittel enthält 1 oder 5 mg Melatonin in retardierter Form. Die Tabletten dürfen nicht gekaut oder zerbrochen werden. Wenn das Kind Probleme hat, sie als Ganzes zu schlucken, können Eltern sie zum Beispiel mit Joghurt vermischen.
Die Anwendung von Melatonin ergibt in diesen Indikationen Sinn, da bei neurologischen Erkrankungen wie ASS die Freisetzung des Hormons verändert sein kann. In einem Review aus 2014 kamen die Autoren zu dem Schluss, dass gemäß den von ihnen untersuchten Studien die Gabe von exogenem Melatonin bei abnormalen Schlafparametern bei ASS als evidenzbasiert zu betrachten sei. Die beobachteten Nebenwirkungen seien minimal bis gar nicht vorhanden gewesen.
Hinweise gibt es auch für die Wirksamkeit bei Schlafstörungen im Zusammenhang mit anderen neurologischen Erkrankungen wie der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Auch eine langfristige Einnahme scheint hier möglich zu sein. So kam eine Studie aus den Niederlanden 2009 zu dem Ergebnis, dass Melatonin eine wirksame Therapie auch für die Behandlung von chronischer Schlaflosigkeit bei Kindern mit ADHS sei und keine Sicherheitsbedenken hinsichtlich schwerwiegender unerwünschter Ereignisse oder behandlungsbedingter Begleiterkrankungen beständen. Zu beachten ist, dass sich diese Studienergebnisse nicht ohne Weiteres auf gesunde Kinder übertragen lassen.
Während die zugelassenen Arzneimittel für bestimmte Patientengruppen indiziert sind, sprechen NEM zur exogenen Melatonin-Supplementierung eine breite Masse an Menschen an. Die Hersteller brauchen anders als pharmazeutische Unternehmer keine klinischen Studien vorzuweisen, um die Wirksamkeit ihrer Produkte zu belegen. Sie stützen sich auf die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassenen Health Claims. Diese sind im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 der Kommission (sogenannte Artikel 13-Liste) zu finden. Demnach darf die Aussage »Melatonin trägt zur Linderung der subjektiven Jetlag-Empfindung bei« für Lebensmittel verwendet werden, die mindestens 0,5 mg Melatonin je angegebene Portion enthalten. Die Verbraucher sind darüber aufzuklären, dass mindestens 0,5 mg Melatonin für eine positive Wirkung am ersten Reisetag kurz vor dem Schlafengehen sowie an den ersten Tagen nach Ankunft am Zielort einzunehmen sind.
Der zweite zugelassene Health Claim: »Melatonin trägt dazu bei, die Einschlafzeit zu verkürzen«. Die Angabe darf für Lebensmittel verwendet werden, die 1 mg Melatonin je angegebene Portion enthalten. Die positive Wirkung soll sich einstellen, wenn kurz vor dem Schlafengehen 1 mg Melatonin aufgenommen wird.
Der empfohlene Einnahmezeitpunkt unterscheidet sich bei NEM und Arzneimitteln. Das liegt daran, dass im Lebensmittel Melatonin in nicht retardierter Form enthalten ist. Der Wirkstoff wird direkt freigesetzt und dann auch schnell wieder abgebaut, da die Halbwertszeit nur etwa 40 Minuten beträgt.