Zwischen Rauschdroge und Arzneimittel |
Verena Schmidt |
16.02.2024 15:00 Uhr |
Weniger Alkohol und Zigaretten, dafür mehr Joints: Experten beobachten, dass das Interesse von Jugendlichen an Cannabis in den vergangenen Jahren gestiegen ist. Laut einem Bericht zur »Drogenaffinität Jugendlicher« der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) von 2019 haben rund 10 Prozent der 12- bis 17-Jährigen mindestens einmal Cannabis probiert, bei den 18- bis 25-Jährigen sind es 46 Prozent.
Dabei sind Jugendliche besonders gefährdet, wenn sie Cannabis konsumieren. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Cannabiskonsumstörungen mit schweren psychischen Erkrankungen einhergehen können. Cannabiskonsumstörungen zeichnen sich unter anderem durch häufigen Konsum, starkes Verlangen nach der Droge sowie einer Einschränkung sozialer, beruflicher oder anderer Freizeit-Aktivitäten aus.
Eine Studie aus dem vergangenen Jahr, veröffentlicht im Fachjournal »Psychological Medicine«, zeigt beispielsweise: Bei jungen Männern könnten bis zu 30 Prozent aller Schizophreniefälle auf problematischen Cannabiskonsum zurückgehen. Forschende aus Dänemark hatten sich anhand eines Datensatz angeschaut, wie Cannabiskonsumstörungen und Schizophrenie zusammenhängen. Die Analyse ergab, dass 15 Prozent aller Schizophreniefälle bei Männern in Dänemark im Jahr 2021 ohne Cannabiskonsumstörungen hätten vermieden werden können. Bei den Frauen waren es 4 Prozent. Besonders hoch war der Anteil mit bis zu 30 Prozent bei den jüngeren Männern im Alter von 21 bis 30 Jahren.
Die dänischen Wissenschaftler merken auch an, dass die Zahl der Menschen mit einer Cannabiskonsumstörung in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen sei. Dazu kommt, dass heute gängige Hanf-Züchtungen einen höheren Gehalt an Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC), dem für die Rauschwirkung verantwortlichen Inhaltsstoff, haben als etwa noch in den 1990er-Jahren. Damals lag der Gehalt bei 3 bis 4 Prozent, heute teilweise zwischen 20 und 30 Prozent. Das erhöht die Gefahr, abhängig zu werden, und könnte auch eine Begründung dafür sein, dass Cannabiskonsum immer häufiger zu psychischen Störungen wie Psychosen oder Schizophrenie führt.
Dass Cannabis gerade für Jugendliche so schädlich ist, liegt daran, dass sich ihr Gehirn in der Pubertät und im jungen Erwachsenenalter stark verändert und weiterentwickelt. Nervenzellen werden neu vernetzt, bestehende Verbindungen werden gestärkt oder auch wieder gelöst. Das körpereigene Endocannabinoid-System spielt bei diesen Veränderungen eine große Rolle. Das Cannabinoid THC kann wohl in diese Umbauprozesse eingreifen – möglicherweise werden dann etwa wichtige Verknüpfungen im Gehirn nicht gebildet. Das kann die kognitiven Fähigkeiten langfristig beeinträchtigen und die Anfälligkeit für psychische Erkrankungen erhöhen.