Erste Hilfe – Leben retten nicht verlernen |
In vielen öffentlichen Gebäuden und Freizeiteinrichtungen sind inzwischen Defibrillatoren verfügbar und wie Feuerlöscher frei zugänglich an der Wand aufgehängt. Nach dem Aufkleben der Elektroden analysieren die sogenannten »Automatischen Externen Defibrillatoren (AED)« den Herzrhythmus des Patienten. Stellt der AED eine defibrillierbare Herzrhythmusstörung fest, löst er einen Elektroschock aus. Liegt keine Herzaktion mehr vor, wird kein Schock ausgelöst, sondern auf die Notwendigkeit der Herzdruckmassage hingewiesen. Hat der Betroffene gar keine Herzprobleme, zeigt der AED auch das an.
AED ergänzen die Laienreanimation ideal und verbessern die Chancen auf Überleben einiger Patienten deutlich. Sie ersetzen die Herzdruckmassage jedoch nicht. Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) warnt ausdrücklich davor, sich im Ernstfall ausschließlich auf die Suche nach einem Gerät zu konzentrieren. Die erste und wichtigste Maßnahme bleibt, mit der Herzdruckmassage zu beginnen. Ist sie sichergestellt, kann eine weitere Person das Gerät holen, während die andere die Herzdruckmassage weiter kontinuierlich fortsetzt. Sie darf nur für den Schock unterbrochen werden. Angst vor der Benutzung muss man nicht haben. Eine falsche Bedienung, die das Herz zusätzlich schädigen könnte oder erst zum Stillstand bringt, ist ausgeschlossen.
Nach Angaben des Deutschen Reanimationsregisters erleiden in Deutschland jährlich mindestens 50.000 Menschen außerhalb eines Krankenhauses einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Das tragische: Nur 10 Prozent von ihnen überleben, obwohl bis zu 45 Prozent der Herz-Kreislauf-Stillstände durch Familienangehörige, Freunde oder andere Personen beobachtet werden. Würden diese sofort mit einer Herzdruckmassage beginnen, könnten laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) pro Jahr allein in Deutschland 10.000 Leben gerettet werden.
Seit Jahren wird versucht, die Zahl der Laienreanimationen durch Aufklärungskampagnen zu erhöhen. Und obwohl sich erste Erfolge zeigen – 2011 starteten 18 Prozent der Ersthelfer eine Herzdruckmassage, 2018 bereits 39 Prozent – gehört Deutschland im internationalen Vergleich nach wie vor zu den Schlusslichtern bei der Laienreanimation. In den Niederlanden etwa werden Quoten von 70 Prozent erreicht. In den skandinavischen und osteuropäischen Ländern sogar bis zu 80 Prozent.
Warum zögern in Deutschland so viele Ersthelfer, wenn es darum geht, ein Leben zu retten? Grundsätzlich ist die Bereitschaft zur Hilfe auch hierzulande groß, aber die Erste-Hilfe-Kenntnisse weisen bei vielen Menschen Lücken auf, zeigt eine repräsentative Online-Befragung des Marktforschungsinstituts Toluna, die im Jahr 2017 im Auftrag der Asklepios Kliniken durchgeführt wurde. Obwohl 90 Prozent der 1000 Befragten schon einmal einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert haben, schätzen nur 23 Prozent ihre Fähigkeiten mit gut ein. Der Grund dafür: Der Kurs liegt bei mehr als der Hälfte der Befragten mindestens zehn Jahre zurück, bei älteren Teilnehmern sogar mindestens 20 Jahre.
Kinder lernen schnell, was zu tun ist und können ihr Wissen im Ernstfall auch an Erwachsene weitergeben. / Foto: Mike Auerbach
Hier setzen viele Länder an. Sie schreiben regelmäßiges Erste-Hilfe-Training bereits in der Schule auf den Stundenplan. Kinder sind für Wiederbelebungsmaßnahmen leicht zu motivieren. Sie lernen die notwendigen Fertigkeiten rasch und behalten das Erlernte gut. Aus Studien ist bekannt, dass Jugendliche ab etwa 13 bis 14 Jahren Thoraxkompressionen so effektiv durchführen wie erwachsene Laien. Jüngeren Kindern fehlt aufgrund ihrer Körpergröße und des Gewichts in den meisten Fällen noch die Kraft für eine erfolgreiche Reanimation. Sie gelten aber als wichtige Multiplikatoren, die im Ernstfall ihr Wissen an einen ausführenden Erwachsenen weitergeben können. In Dänemark machten Experten die Erfahrung, dass sich die Wiederbelebungsrate innerhalb von fünf Jahren nach Einführung des Erste-Hilfe-Unterrichts von 20 auf 45 Prozent erhöht hat.
In Deutschland hat der Schulausschuss der Kultusministerkonferenz 2014 beschlossen, dass alle Schüler ab der siebten Klasse jedes Jahr zwei Stunden Wiederbelebungstraining erhalten. Lehrkräfte sollen entsprechend geschult werden, um den Unterricht zu übernehmen. Laut dem Deutschen Rat für Wiederbelebung ist der Umsetzungsstand in den Bundesländern derzeit jedoch noch sehr unterschiedlich.