Lip- und Lymphödem frühzeitig behandeln |
Das derzeit wirkungsvollste, nicht invasive Mittel für die Behandlung sowohl von Lymph- als auch Lipödemen ist die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE). Sie setzt sich aus mehreren verschiedenen Therapien zusammen, die bei beiden Erkrankungen unterschiedlich gewichtet werden. So spielen die manuelle Lymphdrainage, bei der durch Dehnreize auf Haut und Unterhaut die Lymphbildung und der Lymphfluss angeregt werden, und die Kompressionstherapie mit Bandagen beim Lymphödem in den ersten zwei bis sechs Wochen der Behandlung (Entstauungsphase) eine besonders wichtige Rolle. Sie sollen den Einstrom der Gewebsflüssigkeit in das Lymphgefäßsystem verstärken und den Lymphfluss in den noch funktionsfähigen Lymphgefäßen erhöhen.
Bei einem Lymphödem kann diese Phase je nach Stadium der Erkrankung mitunter ganz übersprungen werden. Betroffene starten direkt mit der sogenannten Erhaltungsphase, in der sich die Behandlungshäufigkeit nach der Wiederbildung des Ödems ohne Lymphdrainage richtet. Die Kompressionsbandage muss nur noch am Therapietag getragen werden, dazwischen kommen Kompressionsstrümpfe zum Einsatz. Ergänzt werden Lymphdrainage und Kompressionsbehandlung durch eine konsequente Hautpflege. Der direkte Kontakt mit den Kompressionsmaterialien und die lange Tragedauer können die Haut austrocknen und kleine Hautrisse begünstigen.
Eine weitere wichtige Komponente der KPE ist die sportliche Aktivität und das Ausführen gezielter Übungen mit den betroffenen Extremitäten. Durch die Kontraktion der Muskeln wird der Druck auf die Zellzwischenräume erhöht und der Abtransport der Gewebsflüssigkeit gefördert. Schwellungen, Druckgefühle und Schmerzen werden reduziert. Insbesondere bei Lipödem-Betroffenen, aber auch bei übergewichtigen oder adipösen Lympödem-Patientinnen sind auch Ernährung und Gewichtsmanagement von Bedeutung, um einer Verschlimmerung der Erkrankung vorzubeugen.
Beseitigen kann die KPE ein Lip- oder Lymphödem nicht. Beim Lymphödem ist sie dennoch für die meisten Betroffenen die einzige Behandlungsoption, da eine operative Therapie nur in Ausnahmefällen in Frage kommt. Lipödem-Betroffene können eine operative Fettabsaugung (Liposuktion) in Erwägung ziehen. Dabei werden die Fettzellen mittels Ultraschall, Wasserstrahl oder Vibration vom umliegenden Gewebe gelöst und über ein Endoskop abgesaugt. Die Liposuktion dauert etwa zwei Stunden, in denen zwischen 4 und 8 Liter Fett entfernt werden können. Je nach Ausprägung der Erkrankung können mehrere Eingriffe im Abstand von einigen Wochen notwendig sein, bis das gesamte Lipödem entfernt ist.
Vielen Betroffenen verschafft die Liposuktion deutliche Beschwerdelinderung, eine Heilung des Lipödems wird jedoch auch mit der Operation nicht erreicht. Um ein erneutes Aufkommen der Fettgewebsvermehrung zu verhindern, sind konservative Therapiemaßnahmen weiterhin notwendig. Zudem ist es wichtig, die Ernährung anzupassen, da der Energiebedarf durch das Entfernen der Fettzellen sinkt.
Seit Januar 2020 wird die Liposuktion bei einem Lipödem in Stadium 3 von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen, wenn der Body-Mass-Index (BMI) der Betroffenen unter 35 liegt und die Beschwerden in den vergangenen sechs Monaten mit einer konservativen Therapie nicht gelindert werden konnten. Bei einem BMI > 35 sollte zusätzlich zur Liposuktion eine Behandlung der Adipositas stattfinden. Bei einem BMI ab 40 ist die Liposuktion weiterhin keine Kassenleistung, da zunächst die Adipositas behandelt werden sollte. Derzeit gilt diese Regelung bis Ende 2024. Parallel läuft eine Erprobungsstudie, die klären soll, welchen Nutzen die Liposuktion im Vergleich zur konservativen Therapie in allen drei Krankheitsstadien hat.