Egal, ob Ökosysteme von Natur aus artenarm (wie die Salzwiesen an der Nordsee) oder artenreich wie die tropischen Regenwälder sind – sie funktionieren nur, wenn die für sie charakteristische Biodiversität vorhanden ist. »Lebendige Vielfalt in Ökosystemen macht diese resilienter gegenüber Störungen. Das sieht man bereits an profanen Beispielen, etwa dass man in ländlichen Gebieten mit intakter Natur relativ ungestört einen Zwetschgenkuchen im Freien essen kann, ohne von einem Heer von Wespen heimgesucht zu werden wie in der Stadt.«
Mit der Vielfalt der Arten ist die Menschheit in den vergangenen Jahrzehnten nicht gerade sorgsam umgegangen. »In den vergangenen 50 Jahren haben wir fast 70 Prozent der Bestände aller Wirbeltiere, wie Amphibien, Reptilien, Vögel oder Säugetiere vernichtet. Die weltweite Biomasse von Säugetieren hat seit 1970 um 82 Prozent abgenommen – hinsichtlich wichtiger CO2-Speicher fatal. Geschätzte 40 Prozent aller Insekten sind bedroht. Und nur etwa ein Viertel der für Deutschland typischen Biotope gilt als ungefährdet«, nennt Fischer konkrete Zahlen.

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Wer einen Garten oder eine Terrasse hat, kann Schmetterlingen, Wildbienen und anderen nützlichen Insekten eine Heimat schaffen. Ihr Lebensraum geht durch Monokulturen, Pestizide und Bodenversiegelung zunehmend verloren.
Der beste Naturschutz bestehe darin, Natur erst gar nicht zu zerstören, so die Expertin. »Natur wiederherzustellen, liefert nur B-Ware. Ein Beispiel: Wir verlieren alle vier Sekunden ein Regenwaldstück von der Größe eines Fußballfeldes. Niemals kann es gelingen, so viel und so artenreich wieder aufzuforsten. Der Ara braucht aber einen Baum mit einer relativ großen Bruthöhle. Er kann nicht 100 Jahre warten, bis wieder ein Baum nachgewachsen ist. Dann ist er schon längst ausgestorben.«
Weltweit gelte es, Gelder in den Erhalt der Natur zu investieren; vor allem die »Hotspots der Biodiversität« müssten im Fokus stehen. »Noch haben wir die Möglichkeit zu handeln, nur muss es eben jetzt sein.« Hierzulande mache dagegen die Wiederherstellung der Natur mehr Sinn. »Wir greifen schon relativ lange in die Natur ein und die Einwohnerdichte ist eine ganz andere. Deshalb kommt der Renaturierung von Bächen und Teichen oder der Wiedervernässung von Mooren bei uns eine größere Bedeutung zu.«
Weltweit gibt es 34 solcher Hotspots, also Orte, die eine sehr hohe Biodiversität aufweisen und gleichzeitig stark bedroht sind. Sie machen zusammen aber nur 2,3 Prozent der Landesfläche der Erde aus. In diesen Hotspots leben die Hälfte aller Pflanzenarten, 55 Prozent aller Süßwasserfischarten und 77 Prozent aller Landwirbeltierarten. Besonders bedenklich: Rund 85 Prozent der ursprünglich einmal vorhandenen Hotspotflächen wurden bereits durch Menschen zerstört.
In Deutschland gibt es zwar keine – nach obiger Definition – klassischen Hotspots. Zwei außergewöhnliche Ökosysteme gibt es laut Fischer dennoch:
• das norddeutsche Wattenmeer und
• die (Rot)buchenwälder
Einst in Mitteleuropa weit verbreitet, sind letztere mittlerweile fast zerstört. Die in Deutschland vorhandenen Restvorkommen sind als Weltnaturerbe deklariert worden.