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Entwicklung von Antibiotika

Neue Targets, alte Resistenzprobleme

Während sich Resistenzen weltweit rasend schnell verbreiten, sind neue Antibiotika rar. Bei der Neuentwicklung gibt es viele Hürden – die finanziellen Risiken sind hoch, die Chancen gering.
Anna Carolin Antropov
13.08.2021  15:00 Uhr

Gramnegative Problemkeime

Die WHO publizierte 2017 eine Liste mit den Keimen, gegen die am dringendsten eine wirksame Antibiose entwickelt werden muss. An der Spitze stehen gramnegative Keime wie Carbapenem-resistente Acinetobacter baumannii, Pseudomonas aeruginosa sowie Enterobacteriacea. Besonders die gramnegativen Keime bereiten Kopfzerbrechen, da Pharmaka ihre Zellwand nur schwer überwinden. Große Moleküle schaffen es allenfalls durch passive Diffusion in die Zelle, sodass beispielsweise zahlreiche Naturstoffe gar nicht erst hineinkommen und wirkungslos bleiben.

Einige kleine, am besten positiv geladene Moleküle gelangen durch sogenannte porenbildende Proteine ins Innere. Die Einführung einer positiven Ladung, beispielsweise durch eine freie Aminogruppe, erwies sich als gute Möglichkeit, den Arzneistoff-Influx zu verbessern. Dadurch erreicht mehr Wirkstoff den Zielort innerhalb der Bakterienzelle. Penicilline veranschaulichen, wie durch diese Strukturanpassung aus einem Schmalspektrum- ein Breitbandantibiotikum wird: Während Penicillin G nur grampositive Keime bekämpft, entsteht durch eine zusätzliche Aminogruppe ein Aminopenicillin wie Ampicillin oder Amoxicillin. Diese passieren die Zellwand und wirken zusätzlich im gramnegativen Bereich.

Ist das Antibiotikum erst einmal in der Zelle, muss es aber auch drinnen bleiben. »Gerade gramnegative Bakterien verfügen über ein ganzes Arsenal von Effluxpumpen«, erklärt Holzgrabe. »Alles, was nicht in die Zelle gehört, wird durch sie nach draußen transportiert.« Effluxpumpen arbeiten unselektiv und sind in einer großen Vielzahl vorhanden, die sich allesamt unterscheiden. Wird die eine Pumpe gehemmt, transportiert eine andere das Antibiotikum nach draußen und macht es wirkungslos. Daher verwundert es Holzgrabe nicht, dass bisher keine effektiven Effluxpumpenhemmer entwickelt werden konnten.

Natur als Vorbild

Der Mediziner Alexander Fleming stieß damals durch Zufall und aufmerksame Beobachtungen auf Penicillin. Heutzutage ist dagegen sehr viel Theorie und Methodik bei der Wirkstoffentwicklung im Spiel. Im goldenen Zeitalter der Antibiotika diente oft die Natur als Vorbild. »Fast alle Antibiotika haben einen Naturstoffhintergrund«, erklärt Holzgrabe. »Pharmakokinetisch gesehen sind sie nicht die idealen Wirkstoffe, aber aus den Grundstrukturen haben wir viele Ideen entwickelt.«

Die Technik ist heutzutage gut darin, bestehende Leitstrukturen durch gezieltes Design zu optimieren oder neue Wirkstoffe abzuleiten. Die Wirkstoffentwicklung basiert entweder auf Kenntnis der Molekül- und Zielstruktur oder indirekt auf einer Vielzahl bekannter Liganden, also Substanzen, die sich in Größe und Ladung ähneln.

In der Industrie verwendet man gerne Hochdurchsatz-Screening. Damit können Forscher binnen kürzester Zeit unzählige Verbindungen aus Wirkstoffdatenbanken testen. Holzgrabe verdeutlicht: »Wir haben beispielsweise ein bestimmtes Protein als Ziel, aber gar keine Idee oder einen Inhibitor. Dann entwickelt man einen Assay, schießt eine Million Verbindungen darauf und beobachtet, was passiert.« Doch trotz riesiger Testkampagnen fallen die Ergebnisse oft ernüchternd aus. Holzgrabe bevorzugt daher, nur eine kleine und genau vorselektierte Auswahl rational zu screenen. Jedoch dürfe man nicht glauben, dass man nur eine passende Zielstruktur finden und hemmen müsse, und dann wäre das Problem gelöst. »Denn unser Körper - und das gilt auch für Bakterien – nimmt ganz leicht Umwege und umgeht das inhibierte Protein«, erinnert die Expertin.

Theorie und Praxis gehen daher nicht immer Hand in Hand. Während sich der Wirkstoff Murepavadin als potenter Feind gegen P. aeruginosa vielversprechend anhörte, musste 2019 die Phase-III-Studie wegen möglichen Nierenschäden abgebrochen werden. Gerade Patienten mit zystischer Fibrose leiden oft an Lungenentzündungen mit multiresistenten Pseudomonas. Die Hoffnungen liegen nun auf inhalativem Murepavadin, doch die Studien hierzu stehen noch am Anfang.

Als sogenanntes »Outer-Membrane Protein Targeting Antibiotic« (OMPTA) wirkt Murepavadin spezifisch, indem es die äußere Membran des Bakteriums aufbricht und es so abtötet. Basierend auf diesem neuartigen Mechanismus wurden weitere Wirkstoffe entwickelt. Brilacidin, ebenfalls ein OMPTA, depolarisiert ähnlich wie Daptomycin die Zellwand und schädigt sie. In der Praxis ist der Wirkstoff besonders gegen grampositive Keime wirksam. Er entpuppte sich auch als entzündungshemmend sowie antiviral. Jüngst startete eine Phase-II-Studie zur Behandlung von Covid-19, erste Tests im Hinblick auf chronisch-entzündliche Darmerkrankungen laufen ebenfalls.

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