Pilzvergiftung? Nein, danke! |
Genießbar oder giftig? Viele Speisepilze haben nicht nur ungenießbare, sondern teils auch tödlich giftige Doppelgänger. Wer sich bei der Bestimmung von Pilzen nicht sicher fühlt, sollte auf das Sammeln und Verspeisen besser verzichten. / Foto: Getty Images/plprod
Geht der Sommer in den Herbst über, gehen viele Menschen «in die Pilze». Die gefundenen Schätze wandern anschließend ins Risotto oder die Pilzpfanne. So weit, so gut – wenn es denn ausschließlich Speisepilze waren, die ins Körbchen oder den Beutel gewandert sind.
Denn viele Speisepilze haben Doppelgänger, die geschmacklich sogar ein Genuss sein können, der sich im Anschluss aber bitter rächt – in Form einer Pilzvergiftung. Ein Toxikologe verrät, was bei einem Verdacht zu tun ist und ob das bloße Anfassen von Giftpilzen schon kritisch werden kann.
Ganz klar: Man sollte das eigene Wissen nicht überschätzen. »Es gibt leider immer noch Leute, die mit sehr rudimentären Pilzkenntnissen in den Wald gehen und dort Pilze sammeln«, sagt Martin Ebbecke, Klinischer Toxikologe und Leiter des Giftinformationszentrums GIZ-Nord.
Rund um das Pilzesammeln gibt es so einige Irrtümer, die schnell lebensgefährlich werden. »Zum Beispiel der, dass ein Pilz nicht giftig sein kann, wenn es daran Fraßspuren vom Wild gibt – das stimmt nicht«, sagt Ebbecke.
Und auch auf Helfer zur Pilzbestimmung blickt der Toxikologe kritisch: »Einem Pilz-Buch oder einer Pilz-App sollte man nicht sein Leben anvertrauen.« Denn bei der Unterscheidung zwischen Gift- und Speisepilz kommt es manchmal auf Details an, die ein Foto gar nicht abbilden kann.
Und so stellt auch die Deutsche Gesellschaft für Mykologie klar: Ein Foto reicht bei weitem nicht aus, um eine Freigabe für den sicheren Verzehr geben zu können. Auch der Geruch oder die Festigkeit des Pilzes spielen für die verlässliche Bestimmung eine Rolle.
Diese Gefahr sieht Ebbecke nicht. Man müsse den Pilz schon in gewissen Mengen verzehrt haben. »Einen Giftpilz bloß anzufassen – da sehe ich keine Gefahr einer schweren Vergiftung. Auch dann nicht, wenn man danach ohne Händewaschen eine Scheibe Brot isst.«
Das hängt davon ab, welcher Giftpilz im Körbchen, auf dem Teller und dann im Magen gelandet ist. »In der Medizin sprechen wir von sogenannten Pilzsyndromen, also von Vergiftungserscheinungen, die bei Pilzen mit ähnlichen Inhaltsstoffen vorkommen«, sagt Martin Ebbecke.
In Deutschland gibt es mehr als 15 solcher Pilzsyndrome. Ein Beispiel: der Knollenblätterpilz. Den Kegelhütigen Knollenblätterpilz können Laien schnell mit einem weißen Champignon verwechseln. Den Grünen Knollenblätterpilz mit einem Täubling. Egal in welcher Form: Der Knollenblätterpilz ist ein besonders gefährlicher Giftpilz. Und leider auch einer, der gerade in dieser Saison besonders häufig zu finden ist.
»Das Tückische am Knollenblätterpilz: Menschen, die eine Vergiftung überlebt haben, sagen, dass er ein sehr schmackhafter Speisepilz war«, sagt Ebbecke. Hat man einen Knollenblätterpilz erwischt, schlägt der Pilzgenuss aber nach rund 12 Stunden in einen Alptraum um. »Er verursacht heftigste Magen-Darm-Probleme, also Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle«, beschreibt Ebbecke. Ohne Behandlung droht ein Leberversagen und damit der Tod.
Es gibt auch andere Pilze, die heftige Magen-Darm-Beschwerden verursachen: etwa der Karbol-Champignon, der genießbaren Champignons sehr ähnlich sieht. Bei ihm setzen Erbrechen und Durchfall bereits kurz nach dem Verzehr ein. Laut Ebbecke kann das bereits nach einer Stunde der Fall sein. Dem einen oder anderen könnte aber schon bei der Zubereitung der Verdacht kommen, dass er kein Speisepilz ist. »Der Karbol-Champignon hat einen chemischen Geruch«, beschreibt Ebbecke.
Andere Pilze verursachen andere Symptome: Für den Pantherpilz etwa listet die Deutsche Gesellschaft für Mykologie als Symptome Rauschzustände, Gehstörungen und Krampfanfälle auf. Es besteht die Gefahr, ins Koma zu fallen. Erste Anzeichen können sich schon wenige Minuten nach dem Verzehr melden.
Beim Orangefuchsigen Raukopf zeigen sich Anzeichen für schwere Nierenschäden – das aber erst Tage nach dem Verzehr: Der Durst ist groß, die Nieren schmerzen, der Körper produziert keinen Urin mehr.
Ebbecke rät, sich in das nächste Krankenhaus zu begeben. »Am besten denkt man noch daran, Putzreste oder übrige Exemplare der Pilze mitzunehmen.« Denn: Wie genau die Vergiftung behandelt wird, hängt davon ab, welchen Giftpilz man verzehrt hat. Jeder Anhaltspunkt, welcher Pilz da auf dem Teller gelandet sein könnte, hilft den Medizinerinnen und Medizinern weiter. »Allein von der ersten Symptomatik sicher darauf zu schließen, um was für einen Giftpilz es sich handelt – das geht nicht», sagt Ebbecke.
Beratung gibt es auch bei den regionalen Giftnotrufzentralen, die rund um die Uhr besetzt sind. Eine einheitliche Notrufnummer gibt es nicht, einen Überblick gibt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit auf seiner Webseite.
»Für den Knollenblätterpilz existiert ein Gegengift – eine Substanz, die verhindert, dass die Leber die Gifte des Knollenblätterpilzes aufnimmt«, sagt Ebbecke. Beim Pantherpilz, der auf das Nervensystem einwirkt und für Halluzinationen sorgen kann, kommen sedierende, also beruhigende Medikamente zum Einsatz.
Dann könnte eine unechte Pilzvergiftung schuld sein. »Bei einer echten Pilzvergiftung hat man einen Pilz mit giftigen Inhaltsstoffen gegessen«, sagt Martin Ebbecke. Eine unechte Pilzvergiftung liegt zum Beispiel dann vor, wenn ein eigentlich genießbarer Pilz verdorben war. Auch dann kann der Körper mit heftigen Magen-Darm-Beschwerden reagieren.
»Pilze sind sehr eiweißreich. Eiweiße neigen allerdings dazu, schnell zu verderben, werden also durch Bakterien zersetzt«, erklärt Martin Ebbecke. Das kann übrigens auch mit den Pfifferlingen aus dem Supermarkt passieren. Sind die Pilze schleimig oder machen auch nur den Eindruck, nicht mehr genießbar zu sein, gilt also: lieber entsorgen.
Zu Magen-Darm-Beschwerden kann es übrigens auch dann kommen, wenn man Pilze in größeren Mengen roh isst. »Sicherlich dürfen ein paar Champignons in den Salat oder einige rohe Steinpilz-Scheiben auf das Gericht«, sagt Ebbecke. »Aber prinzipiell sollte man Pilze sorgfältig garen.«
essbar | giftig/ungenießbar |
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Wiesenchampignon • weißer, kugeliger Hut, bei älteren Pilzen flach • Lamellen rosa, später dunkelbraun • nussiger Geschmack |
grüner Knollenblätterpilz • grünliche Kappe • Lamellen immer weiß • tödlich! |
Stockschwämmchen • gelb-brauner Hut • dunkler Stiel • wachsen buschig an Bäumen • duften pilzig • schmecken würzig, pilzig |
Gifthäubling • gelb-brauner Hut • wächst an Bäumen (wie Stockschwämmchen) • riecht muffig-mehlig • tödlich! |
Pfifferling • kleiner gelber Trichter mit Lamellen • wächst in Laub- und Nadelwäldern • pfeffriger Geschmack • dezenter Duft nach Aprikose |
Falscher Pfifferling • kleiner Trichter mit Lamellen, mehr orange • Lamellen dunkler als Hut • hohler Stiel • wächst in Laub- und Nadelwäldern (wie Pfifferling) • ungenießbar, führt zu Verdauungsstörungen, nicht tödlich |
Perlpilz • bräunlicher Hut mit Flocken • wächst in Laub- und Nadelwäldern • Lamellen und Fleisch können sich bei Druck rötlich färben • herber, leicht säuerlicher Geschmack • nur gekocht essbar, roh ungenießbar Parasolpilz, Riesenschirmling • bräunlicher Hut mit Schuppen • bis zu 50 cm hoch • hohler Stiel, in Knolle mündend • lederartiger Ring unter dem Hut, der verschoben werden kann • duftet angenehm nussig • nur gekocht genießbar |
Pantherpilz • bräunlicher Hut mit weißen Flocken und weißem Stiel • wächst in Laub- und Nadelwäldern (wie Perlpilz) • Lamellen und Fleisch bleiben bei Druck weiß • Ring unter dem Hut, der nicht verschoben werden kann • verursacht Magenbeschwerden • kann tödlich sein |
Steinpilz • braune Kappe • dicker Stiel • verfärbt sich auf der Unterseite des Schirms grünlich • schmeckt nussig, auch roh genießbar |
Gallenröhrling (bitter) • braune Kappe (wie Steinpilz) • dicker Stiel (wie Steinpilz) • verfärbt sich auf der Unterseite des Schirms rosa • schmeckt bitter und ungenießbar • nicht tödlich, verdirbt jedoch das Gericht |