Raus aus chronischem Schlafmangel |
Arzneimittel können kurzfristig eingesetzt werden, zur langfristigen Behandlung chronischer Schlaflosigkeit reichen sie jedoch nicht aus. Viele der Substanzen sind auch nicht zur Langzeitanwendung zugelassen. Bei der medikamentösen Behandlung der chronischen Insomnie verfolgt der Arzt in der Regel fünf Grundprinzipien: Verwendung der niedrigsten wirksamen Dosis, intermittierende Verwendung (zwei- bis viermal wöchentlich), Verschreibung zur kurzfristigen Anwendung (das heißt regelmäßige Anwendung für nicht mehr als drei bis vier Wochen), schrittweises Absetzen und Wachsamkeit gegenüber Rebound-Schlaflosigkeit nach dem Absetzen.
Einige Ärzte verschreiben nach wie vor Benzodiazepine bei Insomnien. Sie verkürzen die Einschlafzeit, verhindern häufiges Wiederaufwachen und verlängern die Gesamtschlafdauer. Die Hypnotika verstärken dafür die Wirkung des hemmenden Neurotransmitters γ-Aminobuttersäure (GABA), indem sie die Affinität von GABA zu seinem Rezeptor erhöhen. Sie wirken beruhigend, angstlösend, muskelrelaxierend und antikonvulsiv. Zu den wichtigsten Nebenwirkungen zählen Rebound-Schlaflosigkeit und anterograde Amnesie. Die Ansammlung aktiver Metaboliten ist bei älteren Patienten und bei Menschen mit eingeschränkter Leberfunktion problematisch.
Das Risiko für unerwünschte Wirkungen steigt dadurch an. Benzodiazepine sind unter anderem bei akuter Alkoholvergiftung mit verminderten Vitalfunktionen, einer Vorgeschichte von Drogenmissbrauch und während der Schwangerschaft kontraindiziert. Zu den Nicht-Benzodiazepin-Hypnotika gehören Zopiclon, Eszopiclon und Zolpidem. Sie sollen weniger abhängig machen als die Benzodiazepine und günstiger sein, was die Nebenwirkungen angeht.
Schlafmittel | Wirkstoffklasse | Maximale Anwendungsdauer |
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Temazepam, Lorazepam, Diazepam | Benzodiazepine | 2 bis 4 Wochen |
Zolpidem, Zopiclon | Benzodiazepin-ähnlich (Z-Substanzen) | 2 bis 4 Wochen |
Doxylamin, Diphenhydramin | Antihistaminika | kurzfristig, einige Tage bis max. 2 Wochen |
Melatonin | Hormon | bis zu 13 Wochen (unter ärztlicher Aufsicht) |
Baldrian | pflanzliches Mittel | langfristig anwendbar (Wirksamkeit umstritten) |
Für weitere Substanzen, die bei chronischen Insomnien verschrieben werden können, ist die Wirksamkeit weniger gut nachgewiesen. Das gilt zum Beispiel für trizyklische Antidepressiva wie Trimipramin oder Doxepin. Vorteilhaft ist, dass sie ein geringes bis kein Abhängigkeitspotenzial aufweisen, die Toleranzentwicklung gering ist und sich keine Rebound-Insomnie entwickelt. Anticholinerge Wirkungen und eine Verlängerung der QT-Zeit am Herzen sind Nebenwirkungen, die besonders bei älteren Menschen kritisch sein können. Des Weiteren verschreiben Ärzte mitunter Neuroleptika wie Pipamperon, Melperon oder Quetiapin bei Schlafstörungen. Als unerwünschte Effekte sind extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen und Spätdyskinesien (ständige unwillkürliche Bewegungen im Mund und Gesicht) zu beachten.
Eine relativ neue Option bei Schlafstörungen ist der duale Orexin-Rezeptorantagonist (DORA). Dieser Wirkstoff steht seit November 2022 auf dem deutschen Markt zur Verfügung und greift in das Orexin-System ein, das für die Wachheit verantwortlich ist. Er hemmt die Wirkung der Orexine, unterdrückt dadurch das Wachsein und fördert das Einschlafen. Das Medikament ist für Erwachsene mit chronischer Insomnie zugelassen, deren Symptome seit mindestens drei Monaten bestehen und die Tagesaktivität beeinträchtigen. Studien zeigten keine Hinweise auf Missbrauch oder Entzugserscheinungen, häufige Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen und Schläfrigkeit.
Wirkstoffe | Empfohlene Dosis | Kommentare |
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First-Line-Pharmakotherapie | ||
Zopiclon, Eszopiclon und Zolpidem | 1–10 mg je nach Substanz | Risiko für Missbrauch und Abhängigkeit, anterograde Amnesie, Albträume, paradoxe Reaktionen können auftreten |
Mittellang wirksame Benzodiazepine wie Temazepam | Temazepam meist 10–20 mg | diverse Risiken und Nebenwirkungen ähnlich wie bei Zopiclon, einschließlich Abhängigkeit und Toleranzentwicklung |
Second-Line-Pharmakotherapie | ||
Trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin | Amitriptylin meist 10–75 mg | Anticholinerge Effekte möglich, bei niedrigen Dosen jedoch eher selten |
Antihistaminika | Verschiedene OTC-Mittel | Sedierung und Toleranz |
Pharmakotherapien mit wenig Evidenz | ||
Baldrianwurzel (Valerianae radix) | 400–800 (abhängig von Zusammensetzung und Zubereitungsform) | Oft keine deklariert |
Weitere Heilpflanzen wie Hopfenzapfen, Melissenblätter, Passionsblume | Abhängig von Zusammensetzung und Zubereitungsform | Wirkung nicht ausreichend bewiesen |
Melatonin | Anwendung vor allem als NEM | Unklares Nutzen-Risiko-Verhältnis |