Was bringen Mittel zum Abnehmen? |
Verena Schmidt |
19.04.2024 15:00 Uhr |
Mit Tirzepatid ist wohl noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Weitere duale Agonisten, Triple-Agonisten und oral verfügbare GLP-1-Agonisten stehen schon in den Startlöchern und haben teils vielversprechende Studienergebnisse vorzuweisen. Ein Beispiel ist Survodutid, ein weiteres Twinkretin, das wie Tirzepatid zusätzlich gerade in einer Phase-II-Studie bei der metabolischen Fettlebererkrankung MASH (früher nicht alkoholische Steatohepatitis, NASH) getestet wird. In der Pipeline befindet sich zudem der Wirkstoff Pemvidutid, der keinen nennenswerten Einfluss auf den Blutzucker hat. Er soll nicht bei Typ-2-Diabetes, sondern ausschließlich bei Adipositas und MASH angewendet werden.
In klinischen Studien getestet werden gerade auch nicht peptidische GLP-1-Rezeptoragonisten, die oral als Kapsel eingenommen werden. Die sogenannten Gliprone (Orforglipron, Lotiglipron und Danuglipron) konnten in Untersuchungen einen ähnlichen Gewichtsverlust erzielen wie die Abnehmspritzen.
Einen weiteren interessanten Ansatz zur Therapie der Adipositas stellte Privatdozent Dr. Tim Hollstein, Clinician Scientist am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, bei einer Pressekonferenz zum Auftakt des Deutschen Kongresses für Endokrinologie Anfang März vor. Ansatzpunkt sei das sogenannte braune Fettgewebe (brown adipose tissue, BAT), das im Gegensatz zum weißen Fett Energie verbrennt statt zu speichern. Aufgabe des BAT ist es, bei Kälteexposition Wärme zu erzeugen. Darüber hinaus produziert das BAT auch Hormone, sogenannte Batokine, die sowohl den Stoffwechsel als auch Organe wie Herz und Leber positiv beeinflussen.
BAT lässt sich durch regelmäßige leichte Kälteexposition trainieren – Studien zufolge reichen dazu milde 16 bis 19 °C für mehrere Stunden am Tag. Auch das in Chilischoten enthaltene Capsaicin soll braunes Fett aktivieren, die Effekte sind Hollstein zufolge allerdings marginal. Daher werden aktuell auch Ansätze erforscht, das BAT mit Medikamenten anzukurbeln. Ersten Untersuchungen zufolge kann der β3-Rezeptoragonist Mirabegron, der bei überaktiver Blase eingesetzt wird, gezielt BAT aktivieren. Doch die dafür notwendigen Dosen sind wohl so hoch, dass sie den Herzschlag und Blutdruck erhöhen. Neueste Studien hätten auch den β2-Agonisten Salbutamol als BAT-Aktivator identifiziert, aber auch hier seien hohe Dosierungen und damit einhergehende kardiale Nebenwirkungen das Problem, so Hollstein.
Die Forschung sei daher gefragt, spezifischere Wirkstoffe zu finden, um BAT gezielt zu stimulieren. Hollstein zufolge könnten diese zukünftig auch als Kombinationspartner für Inkretinmimetika taugen. Denn Letztere haben den Ansatz, dass übergewichtige Menschen weniger Energie aufnehmen, BAT-Aktivatoren dagegen erhöhten den Energieverbrauch und könnten somit einen additiven Effekt haben.
Formuladiäten – in der Regel sind damit industriell hergestellte Shakes oder Pulver zum Anrühren gemeint (zum Beispiel OptiFast®, Almased®, Slimfast®) – können den Einstieg in das Projekt »Gewichtsabnahme« erleichtern und den Weg in eine schrittweise Ernährungsumstellung ebnen. Die wissenschaftliche Datenlage ist gut, auch bei Diabetikern, die abnehmen möchten. Die European Association of the Study of Diabetes (EASD) etwa empfiehlt für Diabetiker ein Mahlzeitenersatzkonzept (dreimal pro Tag ein Shake mit insgesamt maximal 840 Kilokalorien) als beste Strategie für die Gewichtsreduktion. Die Ernährung kann mithilfe einer Formuladiät auch schrittweise umgestellt werden, indem einzelne Mahlzeiten durch einen Diätshake ersetzt werden.
Empfohlen werden Formuladiäten für Personen mit Adipositas (BMI > 30 kg/m2) als Teil eines langfristigen Abnehmprogramms. Die Anwender sollten sich maximal zwölf Wochen ausschließlich mit Formuladiäten ernähren, dann sollte die Umstellung auf eine Ernährungsform erfolgen, die langfristig durchgehalten werden kann.
Ein großer Vorteil ist, dass die Betroffenen zu Beginn meist rasch an Gewicht verlieren. Das motiviert, dranzubleiben. Das Konzept ist außerdem einfach und schnell umzusetzen, eine spezielle Auswahl von Lebensmitteln oder Kalorienzählen entfällt. Der eintönige Geschmack und die meist flüssige Konsistenz der Produkte können allerdings auf Dauer das Durchhalten erschweren. Der geringe Ballaststoffgehalt von Formuladiäten kann zudem eine Obstipation begünstigen. Erfolgt nach der Formuladiät keine Ernährungsumstellung, besteht die Gefahr eines Jojo-Effekts.