Was für die Selbstmedikation wichtig ist |
Juliane Brüggen |
13.09.2024 15:00 Uhr |
Viele Schmerzmittel sind ohne Rezept erhältlich. Daher ist eine Beratung unerlässlich. / Foto: Getty Images/ PeopleImages
Im OTC-Bereich sind ausschließlich Nicht-Opioid-Analgetika erhältlich – zum einen nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac, zum anderen nicht saure antipyretische Analgetika wie Paracetamol. Für die Anwendung der Schmerzmittel gilt ein einheitlicher Grundsatz: So kurz wie möglich und in der niedrigsten möglichen Dosis. Auch die Zehn-Tage-Regel ist wichtig. Patienten sollten Analgetika ohne ärztlichen Rat nicht an mehr als zehn Tagen im Monat einnehmen und je nach Präparat nicht länger als an drei bis vier aufeinanderfolgenden Tagen.
Welches Mittel am wirksamsten ist, hängt von der Art der Schmerzen ab und kann individuell unterschiedlich sein. In einer zusammenfassenden Cochrane-Übersichtsarbeit (2015) waren Ibuprofen und Paracetamol in Kombination sowie Ibuprofen, vor allem in schnell wirksamen Formulierungen, und Diclofenac effektiver als Paracetamol und Acetylsalicylsäure (ASS). Eine Untersuchung der Oxford-Schmerz-Gruppe kam bereits 2007 zu einem ähnlichen Ergebnis, hier lagen Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen vor Paracetamol und ASS. Betrachtet wurden jeweils Einmalgaben bei akuten postoperativen Schmerzen, oft nach einer Zahnextraktion. Ob sich die Ergebnisse dieser Studienmodelle aber auf andere Schmerzen übertragen lassen, wird kontrovers diskutiert.
Eine gute Orientierung bei der Auswahl eines geeigneten Analgetikums bieten medizinische Leitlinien. Denn diese beschäftigen sich explizit mit der Evidenz der Analgetika bei bestimmten Schmerzarten, zum Beispiel Spannungskopfschmerzen, Migräne oder Rückenschmerzen.
Viele Schmerzmittel sind ohne Rezept erhältlich. Eine umfassende Beratung ist daher unerlässlich. / Foto: Adobe Stock/Drazen
Zu den NSAR gehören ASS, Diclofenac, Ibuprofen und Naproxen. Diese hemmen Cyclooxygenasen (COX) – Enzyme, die zur Bildung von Prostanoiden wie Prostaglandin E2, Thromboxan A2 und Prostacyclin beitragen. Am besten untersucht sind die Isoformen COX-1 und COX-2, die beide von den typischen NSAR gehemmt werden. Die COX-2 wird besonders in entzündeten und geschädigten Geweben hochreguliert, um dort vermehrt Prostaglandine auszuschütten. Die Gewebshormone sind an der Entstehung von Schmerz und Fieber sowie an entzündlichen Reaktionen beteiligt.
NSAR wirken also über die Hemmung der Prostaglandinsynthese analgetisch (schmerzlindernd), antipyretisch (fiebersenkend) und antiphlogistisch (entzündungshemmend). Die typischen Nebenwirkungen entstehen wiederum, weil Cyclooxygenasen, vor allem die COX-1, aber auch die COX-2, in vielen Geweben physiologisch vorkommen, etwa in Thrombozyten und Nieren, im Magen und im Gefäßendothel (siehe Tabelle). Gut zu wissen: Die verschreibungspflichtigen Coxibe wie Etoricoxib hemmen selektiv nur die COX-2.
Prostaglandinwirkung | Effekt der Hemmung der Prostaglandinsynthese | Klinische Wirkung oder Nebenwirkung der NSAR |
---|---|---|
Sensibilisierung von Nozizeptoren | Verringerte Sensibilisierung | Analgesie (Schmerzlinderung) |
Erhöhte renale Natrium-Ausscheidung | Erniedrigte Natrium-Ausscheidung und Wasserretention | Wassereinlagerungen (Ödeme), Blutdrucksteigerung |
Verringerte Magensaftsekretion, schützender Effekt auf Zellen (Zytoprotektion) | Erhöhte Magensaftsekretion, verringerte Zytoprotektion | Schleimhautverletzungen (Läsionen) bis hin zu Ulzerationen, Blutungen und Perforationen |
Steigerung der Plättchenaggregation durch Thromboxan A2 | Hemmung der Plättchenaggregation | Erhöhte Blutungsgefahr |
Im OTC-Bereich werden NSAR systemisch bei leichten bis mäßig starken Schmerzen eingesetzt. ASS und Ibuprofen sind außerdem in der Kopfschmerzphase bei Migräneanfällen mit und ohne Aura zugelassen, ebenso die Dreierkombination aus ASS, Paracetamol und Koffein. Präparate mit Ibuprofen und Koffein kommen bei mäßig starken Schmerzen zum Einsatz.