Was in fermentierten Lebensmitteln steckt |
Während der Gärung lockern verschiedene Mikroorganismen und Hefen die Zellwände von Gemüse auf, zudem werden Proteine zerlegt, das Essen wird quasi »vorverdaut«. Das macht beispielsweise Kohlsorten und Bohnen besser verträglich. Auch fermentierte Milchprodukte sind besser bekömmlich, insbesondere für Menschen mit Lactoseintoleranz. Denn die Milchsäurebakterien spalten bis zu 30 Prozent der Lactose auf. Experten vermuten zudem, dass Enzyme aus den Bakterien den menschlichen Darm beim Abbau der Lactose unterstützen. Da Käse noch deutlich länger fermentiert, kann der Milchzucker fast komplett abgebaut sein. Vor allem Hart- und Schnittkäse wie Emmentaler, Gouda, Bergkäse oder Parmesan sind bei Lactoseintoleranz sehr gut verträglich. Bei Hülsenfrüchten und Vollkorngetreide sinkt außerdem der Gehalt von Inhaltsstoffen, die die Verwertung von Nährstoffen behindern, wie beispielsweise die Phytinsäure. Dadurch sind Mineralstoffe wie Eisen, Zink, Calcium und Magnesium für den Körper besser verfügbar.
Während der Reifung von Sauerteig bauen Mikroben zudem das Klebereiweiß Gluten ab, dass manche Menschen nicht vertragen. Das heißt jedoch nicht, dass Menschen mit Zöliakie nun glutenhaltiges Brot essen dürfen, denn für sie sind schon kleinste Mengen schädlich. Auch die Konzentration von immunreaktiven Proteinen, zum Beispiel Amylase-Trypsin-Inhibitor in Weizen, verringert sich. Daher vertragen Menschen mit einer Weizensensitivität Sauerteigbrote meist besser als herkömmliche Brote. Außerdem werden besonders viele FODMAPs durch lange Geh- und Stehzeiten reduziert. Das sind fermentierbare Nahrungsbestandteile, die bei empfindlichen Menschen Magen-Darm-Beschwerden hervorrufen können. Beim industriellen Backen geht der Brotteig allerdings möglichst kurz. Traditionelle Bäckereien und Biobäckereien lassen den Teig üblicherweise länger reifen als Großbäckereien.
Sauerkraut, Kefir, Joghurt, Kimchi und Co. sind aber nicht nur besser bekömmlich. Die in fermentierten Produkten enthaltenen Mikroorganismen fördern auch die Gesundheit des Darms. Denn diese werden durch den Verzehr mit dem Darmmikrobiom zusammengebracht und können die mikrobielle Vielfalt erhöhen. Und dass die Zusammensetzung der Darmbakterien für zahlreiche Krankheiten und das Immunsystem eine entscheidende Rolle spielt, ist unumstritten. Die Kleinstlebewesen beeinflussen die Gesundheit auf vielfältige Weise. So sorgt die von Milchsäurebakterien produzierte Milch- und Essigsäure für eine leicht saure Umgebung im Darm, sodass sich krank machende Bakterien nicht vermehren können, erwünschte Bakterien sich hingegen sehr wohl fühlen.
Die Darmgemeinschaft kann Lebensmittelbestandteile weiter in bioaktive Substanzen umwandeln wie Peptide, Bakteriozine, Aminosäuren, konjugierte Linolsäure und kurzkettige Fettsäuren. Die Stoffwechselprodukte der Bakterien haben ganz unterschiedliche Funktionen. Bakteriozine wirken beispielsweise gegen pathogene Darmbakterien wie Salmonellen oder Clostridien. Kurzkettige Fettsäuren regen die Darmperistaltik an und stärken die Darmbarriere, da sie die wichtigste Energiequelle für Schleimhautzellen darstellen. Die Mikroorganismen und Zellprodukte interagieren zudem mit dem Immunsystem und können dadurch entzündliche Vorgänge eindämmen. Denn 70 Prozent des Immunsystems befinden sich im Magen-Darm-Trakt. Eine kleine Studie der Stanford-Universität, die 2021 im Fachmagazin »Cell« erschienen ist, bestätigt den positiven Einfluss einer Fermentationsdiät. Diese wirkte sich bei den Probanden deutlich auf die Vielfalt des Mikrobioms und auf Entzündungsmarker aus.