Wie man sich vor STI schützen kann |
Juliane Brüggen |
03.11.2023 11:45 Uhr |
»Die Partnerin oder der Partner sollten nach Möglichkeit mitbehandelt werden, bei Gonokokken und Chlamydien immer«, sagt Brockmeyer, ebenso bei Trichomonaden. Bei anderen STI sollte der Partner oder die Partnerin auf eine Infektion untersucht und bei positivem Befund mitbehandelt werden. »Das ist ganz entscheidend, dass wir eine Partneruntersuchung machen und die Partner mit einbeziehen. Denn sonst liegt die Reinfektionsrate bei 50 bis 60 Prozent.« Bei einigen Erregern lässt die erneute Infektion nicht lange auf sich warten: bei Chlamydien reichen etwa zwei Sexualkontakte aus, wie Brockmeyer erklärt. Bestehen Hemmungen oder Schamgefühle, die Sexualpartner zu benachrichtigen, sollte man dies beim Arzt oder in der Beratungsstelle ansprechen. Beim WIR-Zentrum in Bochum gibt es beispielsweise die Möglichkeit, die Partner anonym zu informieren.
PTA-Forum: In der Apotheke wird häufig bei Krankheiten im Intimbereich wie Vaginalpilz, Harnwegsinfektionen oder Hämorrhoiden beraten. Bei welchen Symptomen sollten PTA und Apotheker hellhörig werden?
Brockmeyer: Sie sollten immer hellhörig werden, wenn Symptome im Genitalbereich, aber auch im Rachenbereich geschildert werden. Denn wir haben eine ganze Reihe von STI, die hier Symptome machen können, zum Beispiel ein Ulkus an der Lippe.
Unangenehmer Geruch aus der Scheide, leichtes Brennen beim Wasserlassen, Juckreiz und Brennen im Analbereich sind durchaus alles Symptome, die zu sexuell übertragbaren Infektionen passen. Das Problem ist, dass wir hier ganz unspezifische Symptome haben, die für viele Ursachen stehen können, und wir einfach an STI denken müssen.
PTA-Forum: Wie können Apotheken zur Aufklärung beitragen?
Brockmeyer: Indem die Apotheken gerade, wenn sie bei Erkrankungen im Genital- und Anal-Bereich beraten, immer die STI mit erwähnen und darauf aufmerksam machen, dass das Risiko besteht. Da ist die Hemmschwelle auf beiden Seiten natürlich groß – das ist auch bei Ärzten so. Denn das impliziert Fragen wie: Haben Sie einen neuen Freund, eine neue Freundin oder neue Sexualkontakte? In Umfragen sagen aber fast alle Patienten, dass sie mit ihrem Arzt über Sexualität und STI reden möchten. Auf die Frage, ob es nach ihrer Meinung genügend gemacht wird, sagen 80 Prozent nein. Da sieht man ein Riesentabu, was Sex anbetrifft oder überhaupt was sexuelle Krankheiten und insbesondere STI anbetrifft. Darüber wird viel zu wenig geredet.
Wir haben in Bochum eine Studie bei jungen Leuten bis 27 Jahre gemacht, alle ohne Symptome. Bei diesen haben wir Chlamydien-Infektionen in der Größenordnung von 13 Prozent gefunden, selbst Gonokokken-Infektionen in der Größenordnung von 6 Prozent. Das zeigt deutlich, eine Beratung bei jungen Menschen ist vordringlich. Allerdings sollten wir auch ältere Menschen nicht vernachlässigen: Wir sehen einen zweiten Peak an STI, der ist nicht so hoch, im Alter von 55 bis 60 Jahren. In dem Alter glauben anscheinend viele Leute, ›in meiner Altersklasse gibt es STI nicht mehr‹.
Insgesamt besteht in jeder Altersgruppe Aufklärungsbedarf. Leider passiert das insgesamt noch viel zu wenig. Wenn die Apotheken in diesem Bereich stärker mit Präventionsangeboten aktiv wären, wäre dies eine tolle Sache.
PTA-Forum: In Apotheken kommt mitunter die Frage nach Selbsttests auf. Wie beurteilen Sie diese?
Brockmeyer: Der HIV-Selbsttest ist sehr gut, da gibt es keine Frage. Nur haben viele Probleme bei der Anwendung. So ganz einfach ist es nicht, wenn man ihn noch nie gemacht hat. Dann kommen Menschen mit einem falsch positiven HIV-Test aufgeregt zu uns ins Zentrum. Nichtsdestotrotz ist der Test hervorragend und das sollte man weiter postulieren.
Bei den anderen Selbsttests ist es etwas schwierig. Der Syphilis-Test ist zum Beispiel immer positiv, wenn man vorher schon einmal Syphilis hatte. Insgesamt sind Selbsttests aber sicherlich eine Erweiterung und sensibilisieren – aber immer mit dem Hinweis, auch zum Arzt zu gehen.
Von der STI-Gesellschaft schreiben wir gerade eine Arbeit zu den Selbsttests. Was wir demnächst anbieten werden, ist ein Selbstentnahme-Kit, das heißt, Sie entnehmen die Probe selbst und schicken sie an das Labor. Danach werden Sie informiert, ob das Ergebnis positiv oder negativ ist. Falls es positiv ist, werden Sie direkt beraten. Ein ähnliches Konzept bietet die Aidshilfe bereits an – eine sehr gute Sache.
Die DSTIG bietet einen STI-Leitfaden für die Kitteltasche an, der auch für Apotheken interessant ist. Dieser kann unter www.dstig.de heruntergeladen oder per Post bestellt werden.
Demnächst wird es außerdem zusammen mit der Ärztekammer Westfalen-Lippe eine Fortbildung zu sexueller Gesundheit geben, von der sich das erste Modul auch an Apothekenpersonal richtet.