Checkpoint-Inhibitoren |
Die hohe Frequenz von Neuzulassungen beziehungsweise Zulassungserweiterungen unterstreicht die große Bedeutung der Checkpoint-Inhibitoren. In nur wenigen Jahren haben sie sich bei unterschiedlichen Krebserkrankungen etabliert, und ihr Potenzial ist noch längst nicht ausgeschöpft. Die neuen Checkpoint-Inhibitoren greifen zum Teil an den inzwischen »klassischen« Kontrollpunkten CTLA-4 und PD-1 an, zum Teil sind sie aber auch auf andere Zielstrukturen ausgerichtet. Es wird vermutet, dass es noch weit mehr Checkpoints gibt, über die sich die Krebsabwehr beeinflussen lässt. Und nicht allein die zytotoxischen T-Zellen haben die Forscher dabei im Visier, auch Rezeptoren auf anderen Immunzellen wie zum Beispiel den natürlichen Killerzellen könnten erfolgversprechende Angriffspunkte für Checkpoint-Inhibitoren sein.
Checkpoint-Inhibitoren haben erwartungsgemäß ein ganz anderes Nebenwirkungsprofil als klassische Chemotherapeutika. Die Nebenwirkungen der Checkpoint-Inhibitoren beruhen auf überschießenden, fehlgeleiteten Immunreaktionen. Das Lösen der T-Zellbremse erhöht einerseits die Schlagkraft des Immunsystems gegenüber Krebszellen, weil deren hemmende Signale an den Checkpoints aufgehoben werden. Andererseits hat die T-Zellbremse aber auch eine sinnvolle Funktion, nämlich Angriffe des Immunsystems auf gesunde Gewebe – sprich Autoimmunreaktionen – zu unterbinden. Diese Funktion fällt zwangsläufig mit aus, wenn man die T-Zellbremse mit Blick auf die Krebsabwehr löst. Und daraus erklären sich die Nebenwirkungen der Checkpoint-Inhibitoren.
Als Nebenwirkungen können Autoimmunreaktionen an allen Organsystemen auftreten, wobei sich diese von den entsprechenden spontanen Autoimmunkrankheiten unterscheiden. Laut einer systematischen Übersicht, die 2019 im Deutschen Ärzteblatt publiziert wurde, muss bei 86 bis 96 Prozent der Behandelten mit solchen Nebenwirkungen gerechnet werden. Am häufigsten sind Hautnebenwirkungen, Autoimmunkolitis, Autoimmunhepatitis sowie Endokrinopathien (Thyreoiditis, Hypophysitis, Adrenalitis, Diabetes mellitus). Schwere bis lebensbedrohliche Nebenwirkungen treten bei 17 bis 21 Prozent der Patienten unter anti-PD-1-Monotherapie, bei 20 bis 28 Prozent unter anti-CTLA-4-Monotherapie und bei 59 Prozent unter der Kombination auf. Die Erfahrung habe aber gelehrt, wie man die Nebenwirkungen managen kann. Mit dem richtigen Monitoring, so heißt es in dem Review, könnten sie früh erkannt werden und seien meist gut beherrschbar.
Die Nebenwirkungen unter Checkpoint-Inhibitoren zeigen einen typischen zeitlichen Verlauf: Als erstes – nach drei bis vier Wochen – muss mit Hauterscheinungen gerechnet werden, die sich topisch gut behandeln lassen. Im Abstand von einigen Wochen folgen gastrointestinale und hepatische Symptome, und um die zehnte Woche treten erste endokrinologische Nebenwirkungen auf. Die häufigste Hauterscheinung ist ein makulopapulöses Exanthem, das vermutlich eine gegen Pigmentzellen gerichtete Immunreaktion ist. Auch Juckreiz kommt häufig vor. Behandelt wird mit topischen Corticosteroiden und Harnstoff-haltigen Externa.
Von leicht bis lebensbedrohlich
Bei einer Autoimmunkolitis mit leichten Durchfällen reichen die Behandlung mit Loperamid und eine Elektrolytsubstitution aus. Es gibt aber auch schwere bis lebensbedrohliche Formen, bei denen systemische Corticosteroide indiziert sind. In der Regel tritt innerhalb weniger Tage eine Besserung ein, das Steroid sollte aber weiter gegeben und langsam über mindestens vier Wochen ausgeschlichen werden. Sprechen die Patienten auf Corticosteroide nicht an, wird auf Infliximab umgestellt. Auch bei Hepatotoxizität sind orale Corticosteroide Mittel der Wahl. Immunsuppressivum der zweiten Wahl ist Mycophenolatmofetil.
Ebenso wie die Autoimmunkolitis kommt auch die immunassoziierte Hypophysitis unter Ipilimumab häufiger als unter PD-1-Antagonisten vor. Typische Symptome sind frontaler Kopfschmerz und Abgeschlagenheit, weitere Anzeichen können Schwindel, Übelkeit, Appetitverlust und Gewichtsabnahme sein. Am häufigsten fällt der Hypophysenvorderlappen aus. Während sich die thyreotrope Achse oft wieder erholt, sind die Störungen der corticotropen Achse irreversibel und machen eine Langzeit-Substitution erforderlich. Empfohlen wird, Hydrocortison in physiologischer Dosis von 20 bis 30 mg pro Tag zu substituieren.