Die ganze Welt sucht den Corona-Impfstoff |
Theo Dingermann |
11.12.2020 16:00 Uhr |
Ein neuer Impfstofftyp sind die sogenannten Vektor-Impfstoffe. Diese enthalten als Antigen kein Protein. Stattdessen wird dabei die Bauanleitung für das Antigen in Form des biologischen Bauplans, der DNA, in die Zellen eingeschleust.
Bei diesem »Transportprozess« in die Zellen bedient man sich an dem Prinzip des »trojanischen Pferdes«: Im Falle der Vektor-Impfstoffe wird das Einschleusen in die Zellen durch harmlose Viren erledigt, die Zellen zwar noch sehr effizient infizieren, sich in den Zellen aber nicht mehr vermehren können. Da in das Genom der Vektor-Viren ein kleiner Teil des SARS-CoV-2-Genoms eingebaut wurde, kann diese Information dann in den Zellen in Protein, also in das eigentliche Antigen, übersetzt werden. Dabei handelt es sich wiederum um das S-Protein von SARS-CoV-2.
Hierzulande gibt es noch keinen Impfstoff, der nach diesem Prinzip hergestellt wurde. Allerdings sind mit einem Ebola-Impfstoff und einem Impfstoff gegen das Dengue-Fieber bereits zwei Impfstoffe dieses Typs zugelassen. Den Covid-19-Vektor-Impfstoff AZD1222, basierend auf einem Schnupfenvirus, das normalerweise Schimpansen befällt, hat der britisch-schwedische Konzern Astra-Zeneca in Zusammenarbeit mit der Universität Oxford entwickelt. Eine Schutzwirkung vor Covid-19 von bis zu 90 Prozent seien möglich, vermeldet das Unternehmen.
Gegenüber den beiden ersten Impfstoffkonzepten mit inaktivierten Viren beziehungsweise Proteinen bietet die Vektor-Technologie einen wichtigen immunologischen Vorteil. Da das Antigen in den Zellen des Geimpften hergestellt und nicht von außen zugeführt wird, wird eine besonders effektive Art der zellulären Immunabwehr aktiviert. Es werden nämlich »zytotoxische T-Zellen« hergestellt, die, wie der Name schon anklingen lässt, infizierte Zellen angreifen und abtöten.
Der vierte Impfstofftyp ist der innovativste unter den Impfstoffkandidaten gegen SARS-CoV-2. Dabei wird Messenger-RNA (mRNA), die in Lipid-Nanopartikeln eingebettet wurde, in den Muskel des Impflings injiziert. Wird diese mRNA von Zellen aufgenommen, findet sie sehr schnell den Weg zu den Ribosomen, wo sie zu dem eigentlichen Antigen (wiederum das virale S-Protein) umgeschrieben wird.
Dass das geht, haben zunächst auch Experten für unwahrscheinlich gehalten. Mittlerweile gibt es jedoch keine Zweifel mehr. Alle Studien an Tieren und am Menschen haben gezeigt, dass nach der Injektion einer Dosis mRNA sehr schnell große Mengen Antikörper synthetisiert werden. Und da auch in diesem Fall das Antigen von den Zellen des Impflings selbst hergestellt wird, kann man auch bei den RNA-Impfstoffen, ähnlich wie bei den Vektor-Impfstoffen, die Bildung von zytotoxischen T-Zellen beobachten.
Bislang stehen drei mRNA-basierte Impfstoffe kurz vor der Zulassung in Europa, eventuell könnten sie noch dieses Jahr in Deutschland auf den Markt kommen: die Vakzine BNT162b2 des Mainzer Unternehmens Biontech in Kooperation mit Pfizer, CVnCoV des Tübinger Unternehmens Curevac und Modernas Kandidat mRNA-1273. Die Firmen melden eine Wirksamkeit von rund 90 Prozent, mit der diese Impfstoffe vor der Erkrankung schützen.
Während die letzten beiden Impfstoffkandidaten vermutlich in der Standardkühlkette für Impfstoffe transportiert werden können, braucht der Kandidat aus Mainz Niedrigst-Temperaturen von -70°C. Biontech teilt mit, dass in Impfzentren geöffnete (Transport-) Thermoboxen (minus 70 °C) den Impfstoff für bis zu 30 Tage stabil halten, wenn die Behälter alle fünf Tage mit Eis aufgefüllt werden. Die Box sollte nur zweimal täglich geöffnet werden. Das Auftauen dauere etwa 30 Minuten. Im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C sei das Präparat vor der Zubereitung bis zu fünf Tage haltbar. Der Impfstoff muss mit isotoner Kochsalzlösung verdünnt werden. Jede Ampulle enthält dann fünf Impfdosen a 0,3 ml. Arbeiten unter Laminar-Air-Flow ist nicht nötig. Danach muss der Impfstoff innerhalb von sechs Stunden verimpft werden. Zur Applikation braucht der Impfstoff Raumtemperatur.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.