Fake News entlarven durch Online-Recherche? |
Juliane Brüggen |
22.01.2024 14:00 Uhr |
Befragt zu den Studienergebnissen, gab Dr. Philipp Müller, Akademischer Rat am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Universität Mannheim, zu bedenken, dass auch die politische Einstellung der recherchierenden Person die Bewertung einer Nachricht beeinflusst. Die Ergebnistabellen im Anhang der Studie zeigten, dass die Übereinstimmung mit der politischen Botschaft sogar wichtiger war als die Informationssuche selbst, so Müller. »Wenn wir uns also fragen, weshalb fragwürdige Informationsquellen von einer wachsenden Zahl von Menschen genutzt werden, ist die Antwort zunächst: Weil sie ein politisches Angebot machen, nach dem diese Personen suchen«, betont der Experte weiter. »Das eigentliche gesellschaftliche Problem liegt also in einer wachsenden Unzufriedenheit mit der Demokratie und den etablierten politischen Akteuren, nicht in der Informationsverbreitung oder -bewertung.«
Auch trage »eine längere Beschäftigung mit einer Meldung zwangsläufig dazu bei, dass sich deren subjektiv empfundene Glaubwürdigkeit erhöht, einfach dadurch, dass sie uns vertrauter sind als bei einmaligem kurzem Lesen.«
Eine weitgehende Black-Box sind die Algorithmen der Suchmaschinen, die letztendlich über die angezeigten Inhalte entscheiden. Nicht nur die Suchbegriffe entscheiden über die Ergebnisse, sondern auch die Browser-Historie und weitere Faktoren.
»Wenn jemand also bereits minderwertige Quellen besucht hat oder nach ihnen sucht, neigen die Algorithmen dazu, ähnliche Inhalte vorzuschlagen. In diesem Zusammenhang ist vor allem auch die Fähigkeit, ›gute‹ Suchen formulieren zu können, also über effiziente Suchstrategien zu verfügen, zentral«, ordnet Dr. Josephine Schmitt, wissenschaftliche Koordinatorin am Center for Advanced Internet Studies (CAIS) Bochum gegenüber dem Science Media Center (SMC) ein.
Die Studienautoren plädieren dafür, die Schulung von digitalen Kompetenzen in allen Altersgruppen stärker auszubauen. Das bewertet Schmitt ähnlich: »Ein Schlüsselelement ist die Förderung von Quellen- und Medienkompetenz in allen Altersgruppen. Dazu gehört Wissen über die Funktionsweise von Suchmaschinen, Algorithmen, Medienkritikfähigkeit sowie über Suchstrategien.«
Suchmaschinenanbieter sollten ihre Algorithmen transparenter gestalten und unabhängige Bewertungen von Fact-Checking-Organisationen integrieren, so Schmitt. Nicht zu vergessen sei die politische Dimension: »Die gezielte Verbreitung von Fehl- und Falschinformationen über digitale Medien ist einerseits ein Symptom, andererseits ein Alarmsignal für tiefgreifendere gesellschaftliche Probleme. Die Arbeit an den Ursachen dieses Phänomens ist daher von erheblicher Bedeutung.«
Müller sieht auch die Politik in der Verantwortung. »Es gibt aus meiner Sicht zwei mögliche Auswege aus diesem Dilemma. Erstens müssen die Ursachen einer demokratischen Entfremdung größerer Bevölkerungsteile durch politische Maßnahmen bekämpft werden, die zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen in diesen Bevölkerungsteilen führen«, so der Experte. »Zweitens sollten Plattform- und Suchmaschinen-Betreiber wirksamere Schritte unternehmen, um die Sichtbarkeit fragwürdiger Informationsquellen in Ergebnislisten und Newsfeeds einzuschränken.«