Neue Pandemie im Anflug |
Mückenschutz mit Köpfchen: Das ist angesichts steigender Infektionsraten von durch Stechmücken übertragenen viralen Erkrankungen bedeutender denn je. / Foto: Adobe Stock/kues1
»Die Asiatische Tigermücke und die Gelbfiebermücke sind die größten Profiteure der Globalisierung und des Klimawandels«, sagte Professor Dr. Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin bei einer Pressekonferenz des Centrums für Reisemedizin im März. Erderwärmung und der zunehmende Reise- und Warenverkehr haben in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass sich diese beiden Mückenarten über den ganzen Globus ausgebreitet haben.
In Europa, auch in Deutschland, sei es vor allem die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), die sich breitmacht, informierte der Experte. »Wir werden die Tigermücke nicht mehr loswerden. Sie hat besondere Relevanz, weil sie sich vom Südwesten ausgehend immer weiter in nördliche Gefilde vorarbeitet und eine ganze Reihe von Arboviren übertragen kann.« Arboviren ist der Sammelbegriff für durch Stechmücken übertragene Viren.
Aber: Durch sie übertragene Viren wurden hierzulande bisher nicht nachgewiesen, stellte er klar. Um Arboviren wie Dengue-, Chikungunya- oder Zika-Viren zu verbreiten, müssten die Stechmücken sie zuvor von einer infizierten Person aufgenommen haben. Dann spricht man von einer autochthonen Infektion, die von der in der Region lebenden Person quasi vor Ort erworben wird. »Mit dem Fortschreiten des Klimawandels und immer mehr Reisenden, die die Viren mitbringen, wird das auch hierzulande immer wahrscheinlicher. Das Risiko für Ausbrüche ist umso größer, je länger die sommerlichen Warmwetterphasen anhalten«, prognostizierte der Virologe.
Die Asiatische Tigermücke ist gerade dabei, ihren nadelspitzen Rüssel durch die Hautoberfläche des Wirts auf der Suche nach einer blutgefüllten Arteriole einzuführen. / Foto: CDC/ James D. Gathany
Derzeit ist das einzige hierzulande durch Stechmücken übertragene humanpathogene Arbovirus das West-Nil-Virus – es wurde im Sommer 2018 erstmals in Deutschland nachgewiesen. »Da die heimische Hausmücke Culex pipiens Überträger ist, kann man nicht von einer invasiven Art sprechen.« Laut Schmidt-Chanasit ist das West-Nil-Virus ein Beispiel dafür, dass ein Erreger, der lange auf tropische Klimazonen beschränkt war, sich aber effizient über Zugvögel weltweit verbreiten kann, in Deutschland etablieren kann. Waren die ersten Fälle noch importiert, konnte sich das Virus inzwischen in der heimischen Vogelpopulation festsetzen und wird durch heimische Stechmücken auch auf Menschen übertragen.
»In Zukunft wird vor allem das West-Nil-Virus in den Spätsommern für kleinere Infektionsherde sorgen, die im Herbst wieder vorüber sind. Diese verlaufen jedoch fast immer sehr mild, oft sogar asymptomatisch«, informierte der Tropenmediziner. Nur 20 Prozent der mit dem West-Nil-Virus Infizierten entwickeln Symptome. Normalerweise ist man nach einer guten Woche wieder genesen. Rund ein Prozent der Fälle verlaufen sehr schwer, mit einer neuroinvasiven Form der Erkrankung, die mit einer Meningoenzephalitis oder Enzephalitis einhergeht.
»In Deutschland haben wir den Vorteil, dass auch in 50 Jahren noch nicht durchgehend im Jahr so hohe Temperaturen herrschen werden, dass eine ganzjährige Virus-Zirkulation und -Ausbreitung zustande kommt«, schätzt Schmidt-Chanasit das Szenario ein. Erst wenn die Temperaturen über längere Zeit tagsüber um die 30 °C lägen und die Nächte warm seien, könnten die Viren länger in den Mücken zirkulieren und bei einem Stich dann auch eher auf den Menschen übertragen werden. Dann könne ein Infizierter über die Mücke, die ihn sticht, mehrere andere Menschen anstecken.
Jeder Einzelne könne dazu beitragen, die Verbreitung der Viren hierzulande möglichst zu verhindern, appellierte Schmidt-Chanasit an den Präventionswillen der Bevölkerung. Wer im Sommer aus einem Endemiegebiet zurückkehrt oder hierzulande in einer Region lebt, in der Tigermücken verbreitet sind – zu den Gebieten gehören etwa die Region Oberrhein und der Süden Bayerns; auch in Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Berlin wurden schon Tigermücken nachgewiesen – sollte auch nach der Rückkehr noch für mindestens zwei Wochen konsequenten Mückenschutz mit Repellentien betreiben.
»Das Problem ist, dass die meisten dieser Infektionen asymptomatisch verlaufen – was ja eigentlich positiv ist. Die Viruslast im Blut reicht aber trotzdem aus, dass sich Mücken damit infizieren und das Virus unbemerkt in neue Regionen tragen können. Deshalb sollte man sich – auch wenn man sich nicht krank fühlt – zu Hause nach der Rückkehr vor Stechmücken schützen«, so der Experte.
Für den Selbstschutz empfahl er die vier D der Prophylaxe: