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Hoher Leidensdruck

Reizdarm – Stress in Dauerschleife

Lange Zeit galt das Reizdarmsyndrom zu Unrecht als psychosomatische Erkrankung oder Verlegenheitsdiagnose. Heute kennt die Medizin nicht nur mögliche Auslöser und zugrundeliegende organische Veränderungen, sondern auch effektive Therapien.
Clara Wildenrath
16.07.2021  15:00 Uhr

Psyche hat Einfluss

»Die Psyche hat einen sehr hohen Stellenwert beim Reizdarmsyndrom«, ist Storr überzeugt. Das liege daran, dass sowohl das psychische Befinden als auch die Schmerzwahrnehmung über die Darm-Hirn-Achse reguliert werden. So können Fehlwahrnehmungen im Darm das gesamte Nervensystem belasten. Umgekehrt suche sich ein gestresster Körper Ventile, die er häufig im Magen-Darm-Trakt findet. »Deshalb projizieren wir auch gerne Gefühle in den Darm. Wir haben Schmetterlinge im Bauch, wenn wir uns freuen, verlassen uns bei Entscheidungen auf unser Bauchgefühl oder bekommen vor Aufregung Bauchschmerzen.« Dass psychische Faktoren wie chronischer Stress und traumatische Erlebnisse die Entstehung eines Reizdarmsyndroms fördern können, gilt als gesichert.

Strategien zur Stressvermeidung und Krankheitsbewältigung sind deshalb auch ein wichtiger Bestandteil der Therapie; ihnen wird in der neuen Leitlinie ein höherer Stellenwert eingeordnet. Zahlreiche Studien und Metaanalysen belegen deren Wirksamkeit. Gute Evidenz für einen langfristigen Erfolg gibt es zum Beispiel für die achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR). Ihren großen Vorteil sieht Storr in der einfachen Anwendung »mit einer Audioaufnahme entspannt auf dem heimischen Sofa«. Auch psychotherapeutische Verfahren wie die kognitive Verhaltenstherapie, die psychodynamische Therapie sowie die Darmhypnose als organspezifische Behandlung haben sich in Studien als wirksam erwiesen.

Selbstwirksamkeit

Ein zentraler Baustein der erfolgreichen Therapie ist nach Storrs Erfahrung die Aufklärung des Patienten über die Darmfunktion und ihre Beeinflussungsmöglichkeiten sowie die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit: »Der informierte Patient kommt wesentlich besser durch die Erkrankung als der uninformierte.« Die Lektüre eines Ratgeberbuches helfe etwa dabei, durch Eigenbeobachtung und ein Ernährungs-Symptom-Tagebuch individuelle Trigger der Erkrankung und äußere Einflussfaktoren erkennen zu können.

Als sehr effektiv hat sich in vielen Studien die Low-FODMAP-Diät erwiesen. FODMAP, also fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole, sind kurzkettige Kohlenhydrate, die im Dünndarm schlecht aufgenommen werden. Im Dickdarm werden sie dagegen rasch fermentiert und können dadurch zu Bauchschmerzen, Blähungen und weichem, voluminösem Stuhlgang führen. FODMAP-reiche Lebensmittel – dazu gehören viele Obstarten, Milchprodukte und Getreide – über zwei bis vier Wochen zu meiden, führt laut einer aktuellen Studie bei vier von fünf Reizdarm-Patienten zu einer deutlichen Linderung der Symptome. Anschließend wird der Speiseplan schrittweise wieder erweitert.

Zur Steuerung des Darmmikrobioms empfiehlt das Leitlinienteam den Einsatz von ausgewählten Probiotika. Je nach der vorherrschenden Symptomatik haben sich in Studien unterschiedliche Bakterienstämme und Spezies als wirksam gezeigt: bei Schmerzen und Blähungen beispielsweise Bifidobacterium infantis, B. bifidum, Lactobacillus plantarum, E. coli DSM und Bacillus coagulans, bei Obstipation B. animalis, E. coli Nissle und L. reuteri, bei Durchfall B. coagulans. Neuere Daten zeigen, dass Probiotika im Schnitt wirksam sind. Ob sie allerdings individuell eine Besserung erzielen, ist nicht vorhersehbar. Was hinzukommt: Viele Zubereitungen sind Nahrungsergänzungsmittel, was mit einer eingeschränkten wissenschaftlichen Evidenz einhergeht.

Für den Einsatz von Präbiotika, also unverdaulichen Nahrungsbestandteilen, spricht sich die neue Leitlinie dagegen nicht aus. Auch von Stuhltransplantationen rät sie trotz einzelner positiver Fallberichte ab. Neu aufgenommen wurde dagegen die Empfehlung des Antibiotikums Rifaximin zur Behandlung eines ansonsten therapierefraktären Reizdarmsyndroms ohne Obstipation – obwohl die Substanz für diese Indikation in Deutschland bisher keine Zulassung hat. Lösliche Ballaststoffe können sowohl Verstopfung als auch Durchfall beim Reizdarm lindern.

Stehen Schmerzen im Vordergrund, empfiehlt die aktualisierte Leitlinie verstärkt Spasmolytika - mit einer expliziten Nennung von Pfefferminzöl. Darunter fallen die fixen Kombinationen mit Pfefferminzöl, etwa die mit Kümmelöl (Carmenthin®) oder die mit der Bitteren Schleifenblume als namensgebendem Bestandteil (Iberogast®). Menthol als Hauptinhaltsstoff des Pfefferminzöls scheint den Darm über einen calciumantagonistischen Effekt beruhigen zu können. Pfefferminzöl ist auch als Monotherapeutikum (wie Buscomint® und Medacalm®) verfügbar.

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