Warum Frauen doppelt so häufig an Depressionen erkranken |
Ist die Depression weiblich? Nicht unbedingt, aber hormonelle Einflüsse erhöhen das Risiko ganz erheblich. / © Getty Images/Peter Dazeley
Depressionen sind eine der großen Volkskrankheiten unserer Zeit. Sie zählen nicht nur zu den häufigsten Gründen für Arbeitsunfähigkeit, sondern beeinträchtigen auch Lebensqualität, soziale Beziehungen und körperliche Gesundheit. Schätzungen zufolge erkrankt bis zu jeder fünfte Mensch im Laufe seines Lebens an einer depressiven Episode.
Die Krankheit betrifft grundsätzlich beide Geschlechter, doch erkranken Frauen etwa doppelt so häufig wie Männer. Dabei äußert sich eine Depression oft geschlechtsspezifisch unterschiedlich. Frauen berichten etwa häufiger von Traurigkeit, Schuldgefühlen, Selbstwertzweifeln und Grübelneigung. Männer mit Depressionen zeigen hingegen oft eher Reizbarkeit, Aggression oder suchen Auswege in riskantem Verhalten, Alkohol- oder Drogenkonsum.
Die unterschiedliche Symptomatik kann dazu beitragen, dass Depressionen bei Frauen mit ihren eher klassischen Anzeichen tendenziell schneller erkannt werden, während sie bei Männern nicht selten hinter Suchtproblemen oder vermeintlich »typisch männlichen« Verhaltensmustern verborgen bleiben. In den vergangenen Jahren hat sich deshalb das Konzept der »Male Depression« herausgebildet. Es geht davon aus, dass Depressionen bei Männern oft weniger mit Symptomen wie Antriebslosigkeit oder Traurigkeit in Erscheinung treten, sondern eher durch sogenannte externalisierende Muster geprägt sind, etwa durch gesteigerte Reizbarkeit, Aggressivität, riskantes Verhalten oder den vermehrten Konsum von Suchtmitteln.
Aspekt | Frauen | Männer |
---|---|---|
Prävalenz | höhere Rate, etwa doppelt so häufig betroffen | geringere Rate, möglicherweise unterschätzt |
Symptomatik | Traurigkeit, innere Leere, Antriebslosigkeit, Schuldgefühle | Aggressivität, Irritabilität, Risikoverhalten, Suchtmittelkonsum |
Biologische Faktoren | stärkere hormonelle Einflüsse (wie Zyklus, Schwangerschaft, Menopause) | weniger hormonelle Einflussfaktoren |
Diagnostik | oft anhand klassischer Kriterien erkannt | kann übersehen werden, da oft atypische Symptomatik |
Versorgung | suchen häufiger professionelle Hilfe | nutzen Hilfsangebote seltener, höheres Stigmaempfinden |
Dieser Ansatz erscheint zwar sinnvoll für den klinischen Alltag, hat jedoch bislang keinen Eingang in die offiziellen Diagnosekriterien gefunden. Offen bleibt die Frage, ob Depressionen bei Männern wegen des abweichenden Symptommusters möglicherweise unterschätzt werden. Ebenfalls unterschiedlich bei den Geschlechtern ist der Verlauf der Erkrankung. Frauen erleben häufiger wiederkehrende Episoden und leiden öfter an komorbiden Angsterkrankungen. Männer hingegen weisen ein höheres Risiko für Suizid auf – was auch damit zusammenhängt, dass sie seltener Hilfe in Anspruch nehmen.
Die geschlechtsspezifischen Unterschiede finden sich in nahezu allen Ländern und Kulturkreisen. Das deutet darauf hin, dass es sich nicht um ein rein gesellschaftlich geprägtes Phänomen handelt, sondern biologische und psychosoziale Faktoren ineinandergreifen.