Wie Augenveränderungen behandelt werden |
Verena Schmidt |
17.08.2022 08:30 Uhr |
Den Durchblick behalten: Bei einem Morbus Basedow sind Augen- und Sehveränderungen häufig. Was kann man tun, um ihnen vorzubeugen oder sie zu behandeln? / Foto: Getty Images/Lucy Lambriex
Der Morbus Basedow ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem Antikörper gegen die TSH-Rezeptoren (TSH = Thyreoidea-stimulierendes Hormon) der Schilddrüse bildet. Diese Antikörper regen die Schilddrüse zu einer unkontrollierten Produktion von Hormonen und zum Wachstum an – es kommt zu einer Schilddrüsenüberfunktion und zur Struma. Typische Symptome sind unter anderem Tachykardie, Gewichtsverlust, Nervosität, hoher Blutdruck und starkes Schwitzen. »Der erste Schritt in der Therapie besteht darin, die Fehlfunktion der Schilddrüse zu beseitigen, zunächst mit Schilddrüsenmedikamenten, später gegebenenfalls auch durch eine Radiojodtherapie oder Operation«, erklärt Professor Dr. Detlef Moka, Vorsitzender des Berufsverbands Deutscher Nuklearmediziner (BDN), in einer Pressemeldung des Verbands.
Ein weiteres typisches Symptom eines Morbus Basedow ist die endokrine Orbitopathie, von der rund 60 Prozent aller Basedow-Patienten betroffen sind. Die TSH-Rezeptor-Antikörper sowie T-Zellen und Makrophagen verursachen krankhafte Veränderungen von Fibroblasten in der Augenhöhle (Orbita) – es kommt zu einer Fettvermehrung in der Orbita, Entzündungsreaktionen und einer Fibrose (Gewebeverhärtung).
Die Folge: Die Augenlider schwellen an, die Bindehaut rötet sich und die Augäpfel treten hervor. Die Betroffenen klagen häufig über ein Trockenheits- oder Fremdkörpergefühl, sie haben Schmerzen beim Bewegen der Augen und empfinden ein Druckgefühl auf den Augen. Häufig ist auch das Sehen von Doppelbildern. Durch den seltenen Lidschlag trocknen die Augen aus, was zu einer chronischen Entzündung der Bindehaut mit einer dauerhaften Gewebeumwandlung führen kann. In seltenen Fällen kann auch der Sehnerv durch die Schwellung und den Druck in der Augenhöhle geschädigt werden.
Ein bedeutender Risikofaktor für eine solche Orbitopathie ist das Rauchen. »Basis der Behandlung des Morbus Basedow ist ein Rauchstopp«, bekräftigt der BDN-Vorsitzende Moka. »Denn Rauchen erhöht das Risiko für eine endokrine Orbitopathie um das Achtfache und verschlimmert die Erkrankung.« Auch hohe Serumspiegel von TSH-Rezeptor-Antikörpern, eine Behandlung mit radioaktivem Jod und Hypercholesterinämie erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Augenbeschwerden entwickeln.
Voraussetzung für eine Behandlung der Augen ist immer die gute Stoffwechseleinstellung der Schilddrüse. Bei leichten Formen ist in der Regel die Kontrolle der Risikofaktoren ausreichend. Tränenersatzmittel und/oder Salben lindern Trockenheit und Fremdkörpergefühl. Die Einnahme von Selen kann zudem das Fortschreiten der Erkrankung verhindern.
Bei schwereren Symptomen rät eine neue europäische Leitlinie (»Clinical Practice Guidelines for the Medical Management of Graves’ Orbitopathy«) zu einer Doppeltherapie aus Methylprednisolon-Infusionen über zwölf Wochen plus Einnahme des Immunsuppressivums Mycophenolat für sechs Monate. Die Infusionen erfolgen einmal pro Woche, Mycophenolat wird zwei Mal täglich eingenommen. »Mit dieser neuen Doppeltherapie haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht«, berichtet Professor Dr. Anja Eckstein, Leiterin des Orbitazentrums am Universitätsklinikum Essen, in der Pressemeldung. »Schmerzen, Schwellungen und Druckgefühle verschwinden, auch die Augen treten etwas zurück.« Nur die Doppelbilder ließen sich so meist leider nicht bessern, schränkt Eckstein ein, die selbst an der Erstellung der Leitlinie beteiligt war. Alternativ könne auch eine alleinige, wöchentliche Cortisol-Hochdosistherapie über drei Monate gewählt werden.
Schlagen die genannten Therapieoptionen innerhalb von sechs bis acht Wochen nicht an, ist alternativ auch der Einsatz von zwei Biologika möglich: Tocilizumab und Rituximab sind eigentlich zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassen. Die Anwendung bei der endokrinen Orbitopathie muss dann off Label erfolgen, die Erstattung zuvor bei der Krankenkasse beantragt werden.
In den USA wurde 2020 mit Teprotumumab der erste Wirkstoff speziell zur Behandlung der endokrinen Orbitopathie zugelassen. Es handelt sich um einen IGF-1-Rezeptor-Antikörper: Die Überexpression des IGF-1-Rezeptors (Insulin-like growth factor 1) in den Bindegewebszellen hinter dem Augapfel und den B- beziehungsweise T-Zellen spielt bei der Entstehung der endokrinen Orbitopathie eine wichtige Rolle.
»Die Augen treten im Durchschnitt 3 Millimeter zurück, das ist viel«, so Eckstein. Allerdings gibt es auch schwerwiegendere Nebenwirkungen: In Studien traten etwa Hörstörungen bis hin zum Hörverlust auf, zum Teil irreversibel. Zudem ist das Arzneimittel sehr teuer und in Europa bisher noch nicht zugelassen.
Gegen das Sehen von Doppelbildern kann in manchen Fällen auch eine Brille helfen, in die Prismen eingeschliffen oder auf die Prismenfolien geklebt werden. Ist die Augenbeweglichkeit eingeschränkt, kommt auch eine sogenannte Orbitaspitzenbestrahlung in Betracht: Das wuchernde Gewebe wird dabei mit harter Röntgenstrahlung bestrahlt. Bei schwerem visusbedrohendem Verlauf kann eine Dekompression der Augenhöhle durchgeführt werden. Diese wird dabei durch einen Schnitt vergrößert, sodass sich das wuchernde Fettgewebe ausdehnen kann.