Was tun im Notfall? |
Verena Schmidt |
16.08.2024 15:00 Uhr |
Das kann böse enden: Spül- und Reinigungsmittel im Haushalt sind für die meisten Vergiftungsunfälle bei Kleinkindern verantwortlich. / Foto: Adobe Stock/New Africa
Die Zahl der registrierten Anrufe bei den Giftinformationszentren ist in den vergangenen Jahren angestiegen. Allein das Giftinformationszentrum Nord (GIZ-Nord) mit Sitz in Göttingen, das für Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zuständig ist, hat im Jahr 2022 mehr als 50.000 Anfragen erhalten – ein neuer Rekord, heißt es im Jahresbericht. Die häufigsten Vergiftungsunfälle im Kindesalter geschehen demnach durch die Einnahme von Haushaltsprodukten wie Reinigungsmitteln oder Produkten zur Körperpflege. Darauf folgen Arzneimittel und giftige Pflanzen. Erwachsene vergifteten sich dem GIZ-Nord zufolge am häufigsten mit Arzneimitteln.
Bunt, duftend, verlockend: »Spannende Säfte« wie Spül- und Reinigungsmittel, Shampoos, Flüssigwaschmittel und Weichspüler finden sich in jedem Haushalt – oftmals allzu leicht zugänglich für Kleinkinder. Nicht immer sind die Eltern extrem unvorsichtig und die Kinder komplett unbeaufsichtigt, wenn der Vergiftungsunfall passiert. Selbst bei der besten Betreuung könne es zu kurzen Momenten kommen, in denen die Eltern abgelenkt sind, schreibt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in der Broschüre »Risiko Vergiftungsunfälle bei Kindern«. Und das reicht oft schon aus. Das BfR beschreibt eine typische Situation: Mutter oder Vater putzen, das Kleinkind ist dabei und unter Aufsicht. Das Telefon klingelt oder der Paketbote ist an der Tür, die Eltern verlassen kurz den Raum. Das Putzmittel bleibt stehen, da die Eltern ja gleich zurück sind. Das Kind spielt in der kurzen Zeit mit dem bunten Saft und probiert ihn womöglich. Kommen die Eltern zurück, können sie meist nicht sicher feststellen, was genau passiert ist. Hat das Kind nur etwas Putzmittel verschüttet, von den Händen geleckt oder aus der Flasche getrunken?
Glücklicherweise verläuft die überwiegende Zahl dieser Art Giftunfälle harmlos. Denn viele Reinigungsmittel und Körperpflegeprodukte wirken nicht direkt giftig. Die enthaltenen Tenside reizen aber den Magen und führen häufig zu Erbrechen. Dabei kann viel Schaum entstehen, der eingeatmet und in die Lunge gelangen kann. Die Experten der Giftnotrufzentralen empfehlen in diesen Fällen die Gabe eines Entschäumers (Dimeticon/Simeticon), den viele Eltern ohnehin zu Hause vorrätig haben. Keinesfalls sollte Erbrechen ausgelöst werden. Anders als bei anderen Vergiftungsfällen sollte das Kind auch nur wenig Flüssigkeit trinken, um die Schaummenge nicht weiter zu erhöhen.
Bunt, duftend, verlockend: Reinigungsmittel oder Weichspüler bergen in Kinderhänden Vergiftungspotenzial. / Foto: Adobe Stock/bramgino
Deutlich gefährlicher sind Produkte, die ätzende Chemikalien oder konzentrierte Säuren enthalten, beispielsweise Abflussreiniger, einige WC-Reiniger und Entkalker. Sie können die Mundschleimhaut und die Speiseröhre verätzen. Es treten dann schnell Schmerzen, Schwellung und Rötung der benetzten Haut oder Schleimhaut auf. Symptome nach dem Verschlucken sind eine Schwellung der Lippen, deutlicher Speichelfluss und Erbrechen.
Hat das Kind zweifelsfrei ein Produkt mit ätzender Säure oder Lauge verschluckt, sollten die Eltern sofort den Notruf 112 alarmieren – das Produkt dabei bereithalten, um die Inhaltsstoffe einsehen zu können. Reste des Mittels müssen aus dem Mund entfernt werden, das Kind sollte sofort ein Glas Tee, Wasser oder Saft trinken, um die Säure oder Lauge zu verdünnen. Auch hier gilt: kein Erbrechen auslösen, damit die ätzende Flüssigkeit nicht noch einmal die Speiseröhre passiert.